Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Sonntag auf dem Lande

Ein Sonntag auf dem Lande

Titel: Ein Sonntag auf dem Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bost
Vom Netzwerk:
dass man mit bestimmten Sachen seine Späße trieb: »Ich bitte dich!«, rief er erregt.
    Monsieur Ladmiral war getroffen durch diesen Aufruf zur Ordnung, der Irènes Worten Gewicht gab, und glaubte, dass es sein Sohn war, der von seinem Tod gesprochen hatte. Er warf ihm einen verdrießlichen Blick zu und fühlte sich erschöpft. Immer muss dieser Junge von beschwerlichen Dingen sprechen, dachte er. Er erhob sich etwas mühevoll aus seinem Sessel. Gonzague sprang hinzu, um ihm zu helfen.
    »Lass, lass das! Ich bin noch in der Lage, mich allein fortzubewegen«, sagte sein Vater verstimmt.
    Er stützte sich auf Irènes Arm. Sie hatte sich nicht bewegt, war aber genau in Reichweite ihres Vaters gewesen, als der sie gebraucht hatte. Marie-Thérèse beobachtete die Szene, ohne Bitterkeit, denn sie war nicht bösartig, und ohne Ironie, weil sie nicht scharfsinnig war. Sie kannte sie auswendig. Eigenartig, dachte sie, er weiß nicht einmal, dass seine Tochter geschminkt ist. Er sieht sie an, er berührt sie, er spürt sie, und er weiß es nicht.
    Man setzte sich in Bewegung und ging zum Haus zurück. Gefolgt von seinem Bruder, kam Emile, vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, mit einem Glas Rotwein zurück, das ihm Mercédès gegeben hatte. Sie kannte die Vorlieben von Irène, die ihr Glas leerte.
    »Dein Wein schmeckt nicht. Hast du einen anderen?«
    »Papa hat den seit mehr als drei Monaten«, sagte Gonzague.
    »Na gut«, erwiderte Irène leichthin, die die Anspielung sehr wohl verstanden hatte, »dann bin ich also in den letzten drei Monaten nicht hergekommen.«
    »Mindestens!«, sagte Monsieur Ladmiral mit einem Lächeln, das einen leichten Vorwurf enthielt.
    Irène drehte sich zu ihrem Bruder um.
    »Da haben wir’s! Immer muss er einen verpfeifen! Wegen dir macht mir Vater jetzt eine Szene.«
    Die Kinder konnten es nicht fassen, dass jemand so mit ihrem Vater sprach, und freuten sich mächtig. Gonzague wiederum verkraftete es nicht, seiner Schwester zuzuhören, egal, was sie sagte, und egal, zu wem. Das war wie mit dieser Geschichte von dem Geschäft! Und Vater schien das ausgezeichnet zu finden, er, für den das Geschäftsleben immer etwas Unehrenhaftes gewesen war.
    »Das stimmt«, sagte er zu Irène. »Du betreibst also eine Boutique?«
    Für ihn lag in dem Wort etwas Beleidigendes.
    »Firlefanz und Kinkerlitzchen?«, fügte er mit leicht säuerlichem Ton hinzu.
    »Firlefanz und Kinkerlitzchen«, fuhr Irène fort, »Kleinigkeiten, Tand, Nichtigkeiten, Flitterkram.« (Aha, dachte sie ein ganz klein wenig verärgert, wenn er mich auf den Arm nehmen will …)
    »Du musst dir das unbedingt ansehen«, sagte Irène zu ihrem Vater. »Es läuft bestens. Drum konnte ich nicht schon früher kommen. Du hast dich nicht zu sehr gelangweilt? Und übrigens: Wie geht es dir? Ich habe dich das schon mal gefragt, aber du hast mir immer noch nicht geantwortet. Hast du Besuch gehabt?«
    »Nicht viel. Mir geht es nicht allzu schlecht, aber …«
    »Was ich an Papa so toll finde«, sagte Irène zu ihrem Bruder, »ist, wie gut er die Einsamkeit erträgt.«
    »Wir sind fast jede Woche gekommen«, sagte Gonzague.
    »Nicht am letzten Sonntag«, sagte Monsieur Ladmiral lebhaft. »Ich versteh das sehr gut«, sagte er zu seiner Tochter. »Du musst wahnsinnig viel Arbeit gehabt haben.«
    Monsieur Ladmiral hatte nicht die geringste Vorstellung, welche Art von Arbeit die Eröffnung eines Ladens machen kann, und er legte keinen Wert darauf, dass man es ihm erklärte. Er hätte es nicht verstanden.
    »Sieh dir an, was ich male«, sagte er zu ihr, als die Familie das Haus betrat. »Du wirst das natürlich nicht mögen, aber das macht nichts. Immerhin bist vielleicht nicht du die Person, die recht hat.«
    »Doch, doch, in Bezug auf Malerei bin ich es.«
    Irène fand die Malerei ihres Vaters scheußlich und machte keinen Hehl daraus. Monsieur Ladmiral dachte schon, dass seine Tochter im Grunde genommen vielleicht recht hatte. Trotzdem wollte er sich dessen nicht sicher sein, und vor allem mochte er es überhaupt nicht, wenn sie es ihm sagte. Jedes Mal empfand er einen kleinen Schock, eine Enttäuschung.
    Diesmal machte ihm Irènes Auftreten zusätzlich Mühe, ihr das Gemälde vorzuführen, an dem er gerade arbeitete.
    »Schon wieder eine Ecke deines Ateliers?«, sagte Irène. »Verrückt, wie viele es davon gibt. Du solltest, um die Sache zu Ende zu bringen, ein polygonales Atelier bauen, ein kilo-, makro-, multigonales …«
    Sie ließ

Weitere Kostenlose Bücher