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Ein Sonntag auf dem Lande

Ein Sonntag auf dem Lande

Titel: Ein Sonntag auf dem Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bost
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keine Möglichkeit, sich mit Irène zu streiten; sie verfügte nur über unwiderlegbare Argumente. Und was konnte er tun, als armer Teufel, als Familienvater, der stets rechtschaffen war, wenn man anfing, sich auf die Macht des Geldes zu berufen? Er stellte sich den Augenblick nach Monsieur Ladmirals Tod vor, wenn Irène sich anschickte, sich des Hauses, der Bilder und der Möbel zu bemächtigen, dank ihrer Millionen, und ihn, enteignet, völlig nackt und unter Missachtung aller Gerechtigkeit, zurückließe. Wie sehr er das seiner Schwester übel nahm! Sie dachte doch nur an den Tod des alten Vaters und daran, sich sein bescheidenes Vermögen unter den Nagel zu reißen. Und Vater ahnte in seiner wie immer zu großen Güte davon nichts …
    Monsieur Ladmiral ahnte davon wirklich gar nichts. Irènes Vorschlag, die Sachen zu kaufen, erschien ihm weder unschicklich noch ehrenrührig, allenfalls ein wenig albern. Nie wäre er auf die Idee gekommen, seiner Tochter Stöße von Stofffetzen zu verkaufen, und so lehnte er lachend ab. Dennoch war er gerührt, dass Irène daran gedacht hatte, und er war nicht unglücklich darüber, dass sie mit dieser Geste Gonzague, der immer daran dachte, sich zu beklagen, zum Schweigen gebracht hatte.
    »Du bist verrückt«, sagte er ein wenig verwirrt. »Gonzague macht Witze.«
    »Glaub ich nicht«, sagte Irène. »Edouard macht selten Witze, und schon gar nicht in Herzens- oder Geldangelegenheiten. Im Übrigen ist es völlig normal, dass ich bezahle, was ich mir nehme. Es gehört zu meinem Beruf, in Häusern das aufzustöbern, was niemand will. Neulich habe ich in der Nähe von Dreux bei Bauersleuten einen Brautkranz gekauft, mitsamt seiner Glaskugel – ein Meisterwerk!«
    »Den haben sie dir verkauft? Einen Brautkranz?«
    »Das war nicht einfach. Nicht wegen irgendwelcher Erinnerungen; sie wussten nicht einmal mehr, woher der stammte. Sondern weil sie mir sagten, dass der zu nichts zu gebrauchen wäre. Ich war gezwungen, ihnen einen lächerlich niedrigen Preis vorzuschlagen; ohne das hätten sie nicht nachgegeben. Seither soll mir keiner mehr mit normannischen Bauern kommen!«
    »Dreux liegt nicht in der Normandie«, sagte Gonzague trocken.
    »Dreux?«, rief Irène, »das würde mir sehr weh tun!«
    »Du siehst mich verzweifelt«, sagte Gonzague, präzise wie ein Atlas, »aber Dreux liegt noch in der Ile-de-France. Es fehlt nicht viel, aber es ist so.«
    Irène gab sich geschlagen und wandte sich ihrem Vater zu.
    »Wie viel willst du für die alten Klamotten?«
    »Ach, sprechen wir nicht mehr davon«, sagte Monsieur Ladmiral unangenehm berührt.
    Irène stürzte sich wieder auf ihren Bruder, wild entschlossen, nicht nachzugeben.
    »Und du? Wie hoch schätzt du sie ein? Schließlich warst du es, der als Erster von Geld gesprochen hat.«
    »Ich?«, sagte Edouard aufgebracht. Blitzschnell mischte sich nun seine Frau in die Debatte ein.
    »In diesem Punkt irren Sie«, sagte sie.
    Sie platzte mit einem Mal vor Zorn. Die Ungerechtigkeit war wirklich zu groß. Diese Irène glaubte, sie könne sich alles erlauben. Und in Geldfragen fühlte sich Marie-Thérèse schließlich nicht dümmer als andere, da musste man ihr nichts erzählen.
    »Wenn jemand von Geld gesprochen hat …«, ergänzte sie mit ganz erstickter Stimme.
    Irène trat angesichts dieser unerwarteten Unterstützung den Rückzug an, aber weil das so offenkundig geschah, um nicht mit ihrer Schwägerin zu diskutieren, dankte ihr niemand ihren Rückzieher und auch nicht den versöhnlichen Ton, den sie sogleich anschlug.
    »Sie haben recht. Wir wollen uns nicht streiten. Im Übrigen bin ich die Einzige, die sich da auskennt. Schau her, Papa, ich hab dir Sachen im Wert von tausend Francs gemopst!«
    Sie hatte aus ihrer Handtasche ein Bündel Geldscheine herausgenommen, zusammengehalten von einer reizenden Klammer, die aus Gold zu sein schien. Monsieur Ladmiral, dem das furchtbar peinlich war, lehnte das Geld ab.
    »Wo denkst du hin? Ich will mit meinen Kindern keine Geschäfte machen. Was soll diese Geschichte?«
    Er wusste nicht mehr, wem er böse war, Gonzague oder Irène. Er fühlte sich unbehaglich. Die tausend Francs waren gar nicht unangenehm anzuschauen. Irène machte ihm oft kleine Geschenke, und auch große, manchmal sogar kaum verkappte Geldgeschenke, wenn es um komplizierte Abrechnungen ging oder um Einkäufe, die sie für ihn machte und bei deren Summen sie schummelte. Sie war die Großzügigkeit in Person. Gonzague

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