Ein Sonntag auf dem Lande
wieder?«
»Was?«, rief Irène, die Schwierigkeiten mit dem Anlasser hatte.
»Ich habe gefragt, ob du bald wiederkommst.«
»Natürlich, so bald wie möglich.«
Was blieb einem, als sich mit diesem Versprechen zufriedenzugeben. Monsieur Ladmiral beugte sich ins Innere des Wagens, um seine Tochter zu küssen. Sie gab ihm zwei kräftige Küsse auf seine Wangen, die nach nassem Bart rochen, und hinterließ den Abdruck ihrer roten Lippen. Er ist alt geworden, dachte sie, ich hätte das früher merken, mich nach ihm erkundigen, mit Gonzague über ihn sprechen und etwas tun müssen. Wie geht es ihm? Ich war froh, ihn zu sehen, den alten Herrn. Ich müsste häufiger kommen. Nie hat man Zeit, etwas zu tun.
Sie hatte den Motor in Gang gesetzt und fuhr fort, mit der Hand winkend. Ihre Augen waren feucht, in ihrer Kehle spürte sie einen bitteren Nachgeschmack. Sie hatte es furchtbar eilig, nach Paris zurückzukehren.
Monsieur Ladmiral sah zu, wie seine Tochter wegfuhr. Dann blieb er auf der Türschwelle stehen und wartete darauf, dass der Wagen wieder auftauchte, am Ortsausgang an der Straßenschleife, die man noch sah. Er erblickte den Wagen tatsächlich; er fuhr schnell vorbei, und kurz darauf sah man ihn nicht mehr. Irène hatte die Hand aus der Wagentür gestreckt, aber ohne den Kopf ins Freie zu lehnen, wie sie es manchmal tat. Heute hatte sie es zu eilig.
Monsieur Ladmiral ging zurück ins Haus. Im Korridor schmollten Lucien und Emile wegen der gescheiterten Spazierfahrt. Monsieur Ladmiral schickte sie fast barsch zurück in den Garten; diese Kinder waren wirklich unerträglich.
Einen Augenblick dachte er daran, an die Arbeit zu gehen. Seine Atelierecke wartete auf ihn. Aber es war recht spät, und Monsieur Ladmiral brachte den Mut dazu nicht mehr auf. Es wäre ihm nichts Gutes gelungen. Und dann warteten sein Sohn und seine Schwiegertochter im Garten. Alles müde Ausreden. Es wäre ihm nichts Gutes gelungen … das stimmte, aber es war schwierig, das auszusprechen. Zudem hatte sich das Licht verändert, das stimmte auch, und das war vielleicht ein guter Grund.
Monsieur Ladmiral ging in den Garten zu Gonzague-Edouard und Marie-Thérèse. Sie hatten nach Irènes Flucht die Platzhoheit wiedergewonnen, freuten sich darüber jedoch nicht. Sie waren Sieger ohne Sieg.
Man musste die Zeit totschlagen, machte mit den mürrischen und müden Kindern im Schlepptau einen kleinen Spaziergang auf der Straße. Gonzague versuchte mit seinem Vater zu sprechen; der antwortete kaum und das so verbindlich zustimmend, dass Gonzague den Mut verlor. Auf dem Rückweg musste Mireille getragen werden. Monsieur Ladmiral bot sich nicht an, er war tatsächlich müde.
Das Abendessen verlief freudlos. Die Jungen bekamen nur Wasser, und Emile machte zwei Anspielungen auf seine Geschichtsarbeit, um deutlich zu machen, dass es, wenn er so spät ins Bett kam, wohl nicht allein an ihm läge, wenn er schlecht abschnitte.
Man langweilte sich bis zum Aufbruch und diskutierte schließlich ein wenig darüber, wie lange man bis zum Bahnhof brauchte. Monsieur Ladmiral bestand darauf, die Familie bis zum Zug zu begleiten. Die Sonne war untergegangen, es war mild, noch hell. Alle waren müde, die Köpfe angeschwollen von der Hitze des Tages. Als der Zug einfuhr, umarmte man sich: »Bis nächsten Sonntag!« Die Familie ließ sich in einem Abteil nieder, das nicht zu voll war. Mireille schlief bereits in Marie-Thérèses Schoß. An manchen Abenden konnte man ohne Zwischenfall nach Paris kommen, wenn sie gleich bei der Abfahrt richtig einschlief.
Edouard lehnte sich aus dem Fenster und winkte mit seinem Taschentuch. Monsieur Ladmirals Umrisse wurden kleiner und kleiner: der schwarze Samtanzug mit dem roten Band, die Künstlerschleife, der kleine runde Hut und der prächtige weiße Backenbart. Er wäre in einer Woche noch da und in zwei Wochen und noch lange … Edouard war zufrieden. Vater ging es nicht so schlecht, und es ist eine Freude, das zu sehen. Auch für ihn war es eine solche Freude, wenn man ihn besuchte.
Monsieur Ladmiral brauchte fast zwanzig Minuten, um nach Hause zurückzukehren. Er zog das Bein ein wenig nach, aber vor allem hatte er es nicht eilig. Wie schön die aufkommende Nacht doch war. Die Farben des Himmels waren bezaubernd, perlweiß und leicht granatrot, mit einem Band in Mandelgrün, das so gerade gespannt war, als wäre es mit der Reißfeder gezogen. Man würde es nicht wagen, das zu malen.
Am nächsten Morgen, wie jeden
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