Ein Spiel, das die Götter sich leisten
den Rücken drehen konnte.
Wir schwammen ein ganzes Stück raus und betrachteten von weitem das Gewusel am Strand. Oriana ließ sich auf dem Rücken treiben, sie wollte nicht noch weiter, es macht doch keinen Unterschied, sagte sie, wir sind hier schon ungestört.
Ich schwamm alleine in Richtung Horizont. Es war eine Möglichkeit, von allem wegzukommen, das einen mit der Welt verband. Da draußen im Wasser existierten keine Sorgen, keine Probleme, kein Geld, keine Unterhaltung, keine Wirrnisse, keine Bedrängnis.
Für den, dessen einziges Ziel der Ozean ist, gibt es niemanden, um dessentwillen er zurückschaut oder besorgt ist. Aber wenn deine Aufmerksamkeit auf den Strand gerichtet bleibt, kannst du nicht weit kommen und wirst nach dem Baden zurückkehren, ohne erfüllt worden zu sein.
Ich drehte mich um, das Bild verschwamm, ich war weit weg, ich konnte nichts mehr erkennen.
Mesut fühlt sich geborgen im Schoß des Meeres. Alles Leben kommt aus dem Meer, Aphrodite wurde aus dem weißen Schaum der Wellen geboren, Tochter des Himmels, Göttin der Schönheit, Fruchtbarkeit und des Verlangens. Göttin, die das Lachen liebt, für immer verbunden mit dem Rhythmus der Wellen. Alles Leben drängt zum Wasser.
Oriana hatte auf mich gewartet, sie lag immer noch auf dem Rücken und paddelte leicht mit den Beinen. Ich war außer Atem.
– Muß man sich Sorgen um dich machen, oder bist du ein guter Schwimmer?
– Ich komme zurück.
In jenem Sommer, in dem es mir auf den Füßen meiner Tante reitend in die Hose gekommen war, hatten wir auch drei Wochen am Meer verbracht. Meine Eltern, Oktay, Ebru, meine Tante, mein Onkel und ich. Wir hatten zusammen eine kleine Ferienwohnung gemietet, und ich war nie allein. So mußte ich mich unter der Dusche oder bei der Morgentoilette befriedigen, aber dauernd klopfte jemand an die Tür, weil es so lange dauerte. Schließlich hatte ich eine bessere Idee. Ich schwamm raus, und wenn ich weit genug weg war, zog ich meinen Schwanz aus der Hose und masturbierte unter Wasser. Das war anstrengend, weil ich den Grund nicht berühren konnte, aber es war sehr schön. Außerdem gab es keine Probleme mit Taschentüchern oder wegen übersehener Flecken auf den weißen Fliesen. In jenem Sommer wurde ich ein passabler Schwimmer, legte ein wenig an Muskeln zu und verbesserte meine Kondition.
– Soll ich uns was zu essen holen? fragte Oriana, nachdem die Sonne uns wieder vollständig getrocknet hatte. Es mochte früher Nachmittag sein, das Frühstück lag weit zurück. Sie wartete meine Antwort gar nicht erst ab, nahm das Geld aus der Tasche und ging los. Ich sah zu, wie ihre Backen beim Gehen leicht erzitterten.
Vielleicht zehn Minuten später fragte ich mich, wo sie wohl hingegangen war und was sie mitbringen würde, Fritten, Maiskolben, Frikadellen, Muscheln oder frittierten Fisch. Ich blickte in Richtung der Buden, doch auf die Entfernung konnte ich nichts erkennen. Nach weiteren zehn Minuten wurde ich nervös. Ach, was soll ihr schon zustoßen, beruhigte ich mich, keine Autos, keine Straße, die man überqueren müßte, entführt worden ist sie auch nicht, was soll ihr zugestoßen sein am hellichten Tag an einem Strand, wo so viele Menschen liegen.
Aber ich machte mir Sorgen. Als ich nach weiteren langen Minuten entdeckte, daß ihre Badelatschen noch da waren, und nun wußte, daß sie barfuß losgegangen war, da ahnte ich schon, was passiert war. Der Teufel ist ja nicht untätig und außerdem einfallsreich.
Sie war in eine Glasscherbe getreten, die ihr eine klaffende Wunde beigebracht hatte. Ja, und jemand, der mit dem Auto hier war, hatte sie gleich ins Krankenhaus gefahren, während ich hier saß und mich mit meinem leeren Magen beschäftigte.
Oder jemand mit einem Auto hatte ihre Hilfsbedürftigkeit ausgenutzt, ihr eine Fahrt zum Arzt angeboten, sie zu seinem Wagen getragen, und als er sie so anfaßte, war ihm die Idee gekommen … Nein, nein, so schlecht war die Welt nicht. Oder etwa doch?
Ich stand auf und sah noch mal in Richtung der Buden, dann ging ich los, doch nach vier Schritten blieb ich stehen, kehrte um, zog meine Leinenschuhe an und rannte.
Oriana war nirgends zu sehen. Was sollte ich jetzt tun? Wo war sie und warum hatte ich ihr nicht Gesellschaft geleistet? Entspann dich, Mesut, atme ganz langsam aus, so langsam, wie es nur geht, atme wieder ein, ganz ruhig in den Bauch hinein. Mach dich nicht bekloppt, sei realistisch, es gibt eine einfache Erklärung hierfür, es ist
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