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Ein Spiel, das die Götter sich leisten

Ein Spiel, das die Götter sich leisten

Titel: Ein Spiel, das die Götter sich leisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selim Özdogan
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Tälern, in der man Spazierengehen konnte. Es gab keine Häuser oder dergleichen, nur etwas Nebel, und manchmal huschte auch eine Elfe vorbei, aber Menschen gab es keine.
    An Orianas Atem hörte ich, daß sie eingeschlafen war, den Kopf auf ihrem Unterarm. Ich beugte mich über sie und sah mir die Falten an ihrem Augenwinkel an, vier Linien, zwei, die nach oben gingen, zwei, die nach unten zeigten, und in der Mitte seltsamerweise keine. Die Falten an ihrem anderen Auge waren genauso, ich hatte sie oft bewundert.
    Mit einundzwanzig hatte ich eine Frau kennengelernt, die drei, vier Jahre älter war als ich. Ich hatte damals frohlockt, endlich in ein Alter zu kommen, in dem man Frauen kennenlernte, die Falten um die Augen hatten, es gab nichts, das schöne Augen noch schöner machte. Die Frau und ich hatten einige Male zusammen Kaffee getrunken, ich hatte verstohlen ihre Augen bewundert, mehr hatte ich nicht gewollt.
    Als wir am frühen Abend wieder in unserem Zimmer waren und unsere Badesachen ausgezogen hatten, nahm ich Oriana in den Arm und preßte sie an mich, wir klebten aneinander, und nach kurzer Zeit warf ich sie auf das Bett und spürte das Feuchte, schmeckte das Salz. Sehr bald hörte ich auf, mich zu bewegen, wir sahen uns nur an. Ich konnte es nicht fassen, es war so ein gutes Gefühl, sie zu begehren und zu bekommen. Ich wollte keinen Quickie, keinen Fick, keinen Höhepunkt, weder für sie noch für mich. Ich wollte sie begehren, ich wollte dieses Verlangen genießen. Als sie lächelte, fuhr ich mit meinem Zeigefinger über ihre Zähne. Vier ganz glatte und dann die sanfte Rundung ihres Eckzahns. Sie legte mir einen Finger in die Mulde zwischen meinen Schlüsselbeinen.
    – Laß uns sehen, wo wir was zu essen kriegen, sagte ich.
    – Ja, aber zuerst mußt du mich freigeben.
    Ich richtete mich auf und ging mit meinem Ständer unter die Dusche, Oriana kam nach. Wir seiften uns gegenseitig ein, ließen die Hände über unsere Körper gleiten, das Wasser prasselte auf uns herab, und ich fragte mich, warum wir nicht viel mehr Zeit in engen Duschkabinen verbrachten.
    Unsere Finger waren schon ganz verschrumpelt, als wir den Hahn zudrehten. Ich klappte den Klodeckel runter und setzte mich drauf. Während ich langsam trocknete, sah ich zu, wie Oriana sich fertig machte.
    – Weißt du was, sagte sie, ich mag es, wenn du da sitzt und mir zuguckst. Ein bißchen schäme ich mich auch, aber es gefällt mir. Du bist ein guter Zuschauer.
    Als ich schließlich die Zimmertür hinter uns abschloß, fragte sie mich, wie ich das nun anstellen wolle, Oktay zu finden.
    – Das wird schon klappen, das Glück ist auf unserer Seite.
    Vielleicht war es das doch nicht, denn ich fragte in bestimmt zwanzig Restaurants nach einem Koch oder Kellner, der Oktay hieß, ein großer Mann mit Hakennase und Narbe, ein Clown, der die Sprache schlecht beherrschte und ein guter Pantomime war. Niemand schien ihn zu kennen, wir ernteten nur ratlose Blicke von jugendlichen Kellnern, Schulterzucken oder Einladungen, den besten Fisch am Ort zu essen.
    Das wunderte mich, so groß schien mir die Stadt nicht zu sein, und Oktay war jemand, den man nicht vergaß. Ich hatte nicht erwartet, gleich einen Volltreffer zu landen, aber ich hatte gehofft, daß jemand sich entsinnen würde, ihn schon mal irgendwo gesehen zu haben.
    Eine Zeitlang hatte Oktay im Hafen von Antalya in einer Saftbar gearbeitet. Nach einigen Tagen sprach es sich herum, daß dort so ein verrückter Kerl war, der viel redete und Witze machte, und die Leute kamen, setzten sich mit einem Orangen– oder Grapefruitsaft hin, um Oktay bei der Arbeit zuzusehen, die unter anderem darin bestand, die vorbeispazierenden Urlauber anzusprechen und zu gesunden Getränken zu animieren. Heute unsere Supersommersonderaktion, wer zehn Gläser trinkt, bekommt ein halbes umsonst. Und wenn ein Witzbold fragte, wieso denn nur ein halbes, sagte Oktay: Denk doch an den armen Mann hinter der Theke, der ist ganz erschöpft, wenn er zehn Gläser Saft gepreßt hat, da schafft er kein elftes mehr.
    Er erzählte hemmungslos von einer Weltreise, die man hier gewinnen konnte, sprach mit Vorliebe junge Frauen an und pries die Qualitäten der Getränke, gut für die Verdauung und die Figur, hilft gegen Falten und freie Radikale und ist als Aphrodisiakum kaum zu schlagen.
    Bei jemand anderem hätte man vielleicht gedacht, er mache sich zum Affen vor all den Leuten. Aber Oktay sah man den ehrlichen Spaß an. Als er nach

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