Ein Spiel, das die Götter sich leisten
an. Das verstand ich nicht ganz.
– Nachdem meine erste Neugier befriedigt war, habe ich eine lange Zeit nur Doors gehört. Waiting for the sun, du weißt schon. Ich wollte etwas Ungeheuerliches, etwas, das mich überwältigt und mir die Sinne raubt, das einfach über mich kommt. Ich habe von geheimnisvollen, dunklen, fremden Männern geträumt, die mich mitnehmen. Ganz selten habe ich mir noch Schwänze angesehen oder sie in den Mund genommen. Ich wollte etwas anderes.
Viola hatte in der Zeit eine Phase, in der sie oft neue Liebhaber hatte, und ich hielt das für falsch. Sie probierte rum und war nie wirklich zufrieden. Ich versuchte lieber die verschiedenen Legesysteme für die Karten immer besser zu lernen, ich wollte nach der Schule Wahrsagerin werden. Mein Vater war dagegen, aber sein Wort hatte bei uns nicht viel Gewicht. Meine Mutter sagte, mein Glücksstern stünde hoch, ich könnte eine gute Wahrsagerin werden. Viola fing an, Sprachen zu studieren, und Martha, ich habs dir ja erzählt, Martha hatte festgestellt, daß sie sich zu Frauen hingezogen fühlte, und lebte mit einer Ärztin zusammen. Sie hatte ein Café eröffnet, das Therapie hieß, aber von allen, die gern dort hingingen, Tribadentreff genannt wurde.
Nach und nach übernahm ich Kunden von meiner Mutter, fuhr Oriana fort, manche empfahlen mich weiter, und schon bald verdiente ich genug Geld, um auf eigenen Füßen zu stehen. Eines Tages lernte ich einen Jungen kennen, Mahadev, seine Mutter war Inderin. Er war einundzwanzig, ein sehr sanfter, einfühlsamer Mensch, der ein wenig so aussah, als wisse er etwas, das andere Jungen in seinem Alter nicht wissen. Er hatte braungrüne Augen und kurze, dunkle Haare, aber er war nicht der geheimnisvolle Fremde, er hatte noch etwas Bubenhaftes, Unschuldiges.
– Und mit ihm …?
– Ja, er war der erste. Ein Abendessen, ein Glas Wein, Kerzenlicht, er hat sich Mühe gegeben, aber das einzige, woran ich mich noch richtig gut erinnere, ist, daß Bim Sherman lief. Ich hatte ihn noch nie gehört, er klang so dunkel, weich und tief.
– Warst du enttäuscht?
– Nein. Es war nicht überwältigend, aber Bim Shermans Stimme versprach mir mehr, ich hatte ja gerade erst angefangen, es war noch so neu. Nach einigen Wochen konnte ich es richtig genießen.
– Du warst enttäuscht, oder?
– Ja, ich hatte gedacht, alles würde sich ändern, ich wäre ein neuer Mensch, erwachsen, selbstbewußt, befriedigt. Ich hatte so lange danach gegiert, ich hatte so lange geglaubt, daß alle meine Probleme und Sorgen damit zusammenhingen, aber es war nicht der erwartete Wendepunkt.
– Siehst du, ich wollte nie jemand anders werden, für mich war das ein Land, das ich betreten wollte, eine Insel. Atlantis. Das wahre Atlantis. Für mich war Sex eine kosmische Lektion, die ich zu lernen hatte. Ich stand dem demütig gegenüber. Aber ich ahnte, daß man keine Religion daraus machen kann. Ich sah bei Viola, daß Sex auch seine lächerlichen und tragischen Seiten hat. Die Menschen wurden einfach nicht fertig damit, sie machten ein Spielzeug daraus, ein Spielzeug, mit dem sie einander kaputtmachten.
Wollte sie mir damit zu verstehen geben, daß es gefährlich war, was wir taten?
Es entstand eine Pause.
– Hast du damals angefangen zu dealen?
– Eher etwas später. Ich habe viel geraucht, jeden Tag, und irgendwann wurde ich Herr über das Gras. Ich konnte völlig breit sein und mich unauffällig verhalten, ganz normal funktionieren. Und das Gras wurde Herr über mich. Wenn ich nüchtern war, machte mir nichts richtig Spaß, die schönen Dinge wurden schöner vom Rauchen, und die einfache Schönheit reichte mir nicht mehr, ich wollte immerzu rauchen. Deshalb habe ich ja schließlich aufgehört, ich wollte meine natürliche Fähigkeit zur Freude zurückhaben.
Es war ein teures Vergnügen, also fing ich an, ein wenig zu verticken, in kleinen Mengen, hier und da, um meinen Eigenbedarf zu sichern. Das hat sich irgendwann im Laufe von ein, zwei Jahren verselbständigt. Eines Tages stehst du da und merkst: Ich habe immer sehr viel mehr im Haus, als ich alleine in einem Monat rauchen kann. Ich bin ein Dealer. Ich fand es nie cool oder war stolz darauf, ich habe nie mit der Kohle geprahlt und auf Gangster gemacht, aber es erwies sich als eine einfache und angenehme Art, Geld zu verdienen. Ich bin da so langsam reingeschlittert, und irgendwann findest du Wege, dir ein Kilo für dreitausend Mark zu kaufen, und kriegst es spielend für
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