Ein Spiel, das die Götter sich leisten
fingen wir an, zu überlegen, ob wir ins Haus gehen und nach ihm schauen sollten. Wir beschlossen, noch ein wenig zu warten.
Es war bestimmt eine halbe Stunde vergangen, seitdem Myrie aufgestanden war, als ich die Hintertür öffnete und vorsichtig Mr. Myrie rief, während meine Augen sich langsam an das Dunkel gewöhnten. Keine Antwort. Ich rief lauter, Mr. Myrie, immer noch keine Antwort.
Wir sahen uns ein wenig um, konnten Myrie aber nirgends entdecken. Ich brüllte am Fuß der Treppe zu den oberen Räumen hinauf, doch auch das blieb erfolglos. Dann betrat ich dieses Zimmer, dessen Tür halb geöffnet war, eine Art Bibliothek. Über die gesamte Länge der einen Wand waren Regale angebracht, die bis zur Stuckdecke reichten, an den übrigen Wänden hingen Bilder, Reproduktionen alter erotischer Zeichnungen, vielleicht auch Originale. Indische Männer mit gierigem, entrücktem Blick und überdimensionalen Phalli, deren Spitzen in äußerst gelenkigen Frauen verborgen sind. Asiaten, die sich in Opiumhöhlen sexuellen Genüssen hingeben, europäische Zeichnungen aus dem 19. Jahrhundert mit bekleideten Männern und Frauen, die nur ihre Genitalien entblößt haben, aber auch neuere Bilder, ich erkannte eins von Eric Stanton, eine Frau auf einem Bett, die den Kopf eines Jünglings zwischen ihren Schenkeln festhält, um sich bedienen zu lassen. Zeichnungen von gefesselten Japanerinnen und Ausschweifungen in osmanischen Harems.
– So heiß können Fotos nie sein, sagte Oriana.
Ich war auch überwältigt von diesen Bildern, meine Blicke sprangen hin und her, ich konnte mich nicht entscheiden, ein bestimmtes länger zu betrachten, es war ein schier unglaublicher Überfluß, Momentaufnahmen aus anderen Welten. Etwas, das sich anfühlte wie ein Zittern oder Zucken, ging durch meinen Schwanz, ohne daß er sich aufrichtete.
Während Oriana sich noch die Bilder ansah, ging ich zum Regal, in meiner Neugier wollte ich alles möglichst schnell in mich aufnehmen, mein Herz klopfte. Außer Josefine Mutzenbacher, Fanny Hill, Die Geschichte der O, Justine, Mein geheimes Leben und ähnlichen Klassikern gab es dort ganze Jahrgänge pornographischer Zeitschriften, Leg Show, D-Cup, Voluptous, Nextdoor Beauties, Naughty Neighbors, Shaved, Black Tail, Tight, Come of Age, Big Butt, Hometown Girls, Plumpers, Babyface, Over 40, Amateur Ecstasy. Hätte man zu all diesen Magazinen masturbieren wollen, es wäre eine Lebensaufgabe gewesen.
Ob Oktay wohl dieses Zimmer gesehen hatte? Und wieso gab es hier keine Sitzgelegenheit? Egal. Ich schaue mir diesen weichen, runden Po einer älteren Dame an, die ausladenden Kurven, das ungeschminkte Gesicht mit den listigen Augen, umrahmt von langen Haaren mit grauen Strähnen.
– Wer hat euch erlaubt, dieses Zimmer zu betreten? Ich stopfte schnell die Zeitschrift zurück ins Regal und drehte mich um. Oriana war erstarrt. Ihre Lage erschien mir besser, sie hatte sich nur die Bilder angesehen, die an der Wand hingen. Ich war mit heruntergelassenen Hosen erwischt worden. Beim Wichsen. Von meiner Mutter. So kam ich mir vor.
– Äh, fing ich an, entschuldigen Sie bitte. Also, wir haben auf Sie gewartet, und dann, dann haben wir Sie gerufen, und als wir keine Antwort bekommen haben, haben wir – habe ich angefangen, Sie zu suchen.
– In einem Porno? höhnte er mit lauter Stimme. Glaubst du, ich bin ein Weiberheld wie du? Ein kleiner, geiler Arsch– und Tittenliebhaber, ein Sexsüchtiger, ein Vaginalhedonist? Weißt du, was das ist, ein Weiberheld? Das ist jemand, der sein Leben lang an den Rockzipfeln seiner Mutter hängt, ein Säugling, der immer noch die Brust braucht, eine lächerliche Figur. Mir ist sogar ne Schwuchtel lieber als ein Weiberheld.
Ich hätte ihn gerne gefragt, was es denn dann mit dieser Sammlung auf sich hatte, doch ich konnte kaum meinen Atem kontrollieren, meine Stimme hätte sich überschlagen beim Reden. Wir standen da, und er sah abwechselnd zu mir und zu Oriana, bis sie es vorzog, auf den Boden zu blicken. Dann lieferten wir uns ein Duell, ich mußte ein- oder zweimal kurz blinzeln, doch ich hörte nicht auf, in seine grauen Augen zu sehen.
– Würdet ihr die Güte haben, mein Grundstück zu verlassen, sagte er mit schneidender Stimme.
– Impotenter kleiner Idiot, murmelte Oriana beim Rausgehen, doch sie sagte es auf deutsch und sehr leise.
– Was für ein seltsamer Mensch, sagte ich, als wir durch das Tor auf die asphaltierte Straße traten. Ich habe keine Ahnung, wie
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