Ein Spiel um Macht und Liebe
Distanziertheit, die sie gespürt hatte, fort, und sie waren sich so nah wie nie zuvor, ganz eins.
Später verblaßte dieses Gefühl der Nähe wieder, aber wenn es einmal dagewesen war, dann gab es Hoffnung. Clare schlief glücklicher denn je in seinen Armen ein. Doch bevor sie
einschlummerte, ertappte sie sich bei der Hoffnung, daß die Hölle mit Feuer und Schwefel wirklich existierte. Und daß Caroline Davies, die untreue Gattin, darin schmoren würde.
Michael Kenyon arbeitete in seinem Büro, als sein Diener, der sowohl als Kammerdiener als auch als Butler fungierte, eintrat und den Earl of Strathmore ankündigte. Michael zögerte, denn er empfand plötzlich das dringende Bedürfnis, seinen Freund zu sehen. Wie sehr er sich wünschte, daß das Leben wie früher wäre, als er, Luce, Rafe und Nicholas sich gegenseitig so selbstverständlich und unbekümmert besucht hatten, wie Brüder es untereinander tun…
Doch das Leben war seit Jahren nicht mehr so einfach, und in London hatte Lucien auf der Seite von Aberdare gestanden. »Sagen Sie Lord Strathmore, daß ich niemanden empfange.«
Die Augen des Dieners flackerten mißbilligend auf, aber er sagte nur »Wie Sie wünschen, Mylord«, und verließ das Zimmer.
Michael versuchte, sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren, aber es war ihm unmöglich.
Verärgert schob er die Bücher beiseite und wanderte zum Fenster hinüber, um brütend über das Tal zu blicken. Als er Lucien davonreiten sah, preßte er die Lippen zusammen. Luce war wohl zu Aberdares Hochzeit gekommen, von der im ganzen Tal geredet wurde. Offenbar wollte Aberdare seine Mätresse heiraten, die kleine Maus, die in London bei ihm gewesen war.
Michael erinnerte sich, daß sie recht attraktiv war und einen vernünftigen Eindruck gemacht hatte, aber sie kam längst nicht an ihre Vorgängerin heran.
Seine Eingeweide zogen sich zusammen, und sein Blick glitt zur Grube, die schwach in der Ferne zu erkennen war. Er war zu einem bestimmten Zweck nach Penreith gekommen, und durch das Unglück in der Grube war er seinem Ziel noch keinen Schritt nähergekommen als an seinem Ankunftstag. Jeder Moment war bisher mit Aktivitäten ausgefüllt gewesen – zuerst war es um die Rettungsarbeiten gegangen, anschließend hatte er Pläne erstellen müssen, wie die Modernisierung, die vor Jahren schon fällig gewesen wäre, am besten durchzuführen war. Es war bitter, anerkennen zu müssen, daß Aberdare über den Zustand der Zeche die Wahrheit gesagt hatte, als sie sich in London getroffen hatten.
Wahrscheinlich hatte er auch recht, daß Madoc ihn betrog, obwohl er bisher noch keinen Beweis dafür gefunden hatte. Die Zahlen in den Büchern ließen sich rein rechnerisch nachvollziehen, aber sie ergaben nicht unbedingt Sinn. Dennoch hatte er im Augenblick wenig Lust, die Sache zu verfolgen; wenn Madoc unehrlich war, dann hatte er, Michael, ihm erst die Möglichkeit dazu gegeben. Und der Kerl war im Moment noch überaus nützlich.
Außerdem hatte Michael noch andere Pläne, die dringlicher waren, und seine fieberhafte Aktivität konnte nicht mehr lange als Ausrede für Feigheit herhalten. Bald mußte er das entsetzliche Dilemma lösen, das ihn zurück nach Penreith gebracht hatte. Und wie schmerzvoll es auch immer sein mochte – um der Gerechtigkeit willen mußte es getan werden.
Kapitel 28
CLARE WURDE SO unproblematisch zur Countess of Aberdare, daß es schon an ein Wunder grenzte.
Sie trug ein elegantes, schlichtes cremefarbenes Kleid und hielt einen Strauß leuchtender Frühlingsblumen in der Hand. Owen fungierte auf Krücken als Brautführer.
Außer ihm und Marged hatte sie die anderen Mitglieder ihrer Klasse eingeladen, und alle kamen
– randvoll mit guten Wünschen und neugierigen Fragen. Nicholas zeigte sich von seiner besten Seite, und selbst Edith Wickes war hinterher davon überzeugt, daß er seine verderbte Lebensart zugunsten einer liebenden, braven Frau aufgegeben hatte.
Clare schwebte durch die Zeremonie und das anschließende Hochzeitsfrühstück mit einem erstaunlichen Mangel an Nervosität. Vielleicht lag es daran, daß sie sich schon verheiratet fühlte, seit ihr Blut sich mit dem von Nicholas vermischt hatte. Selbst die Methodisten tranken Champagner, nachdem Nicholas sie davon überzeugt hatte, daß dieses Getränk nicht berauschender wirkte als gewöhnliches Ale.
Dementsprechend waren sämtliche Gäste ausgesprochen gutgelaunt.
Lucien, der wieder nach London zurück mußte fuhr direkt
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