Ein Spiel um Macht und Liebe
»Und auch kein Mädchen. Ich bin eine mürrische, altjüngferliche Lehrerin.«
Er lachte und küßte sie wieder. Sie war sich darüber im klaren, daß sie das Recht hatte, ihn daran zu hindern – schließlich hatte er sein Konto schon mächtig überzogen –, aber sie tat es nicht.
Seine Küsse gaben ihr Mut, und davon brauchte sie soviel wie möglich. Sie konnte noch genug über ihr Seelenheil nachgrübeln, wenn sie wieder im sicheren Tageslicht standen.
Neues pulsierendes Verlangen durchströmte sie und belebte ihren erschöpften Körper. Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, daß das rhythmische Wummern nicht nur in ihrem Inneren, sondern überall um sie herum war. Dumpfe Vibrationen drangen durch Wasser und Stein. Erleichtert hob sie den Kopf. »Die Pumpe arbeitet wieder.«
Vorsichtig ließ sie sich an ihm herab und stellte fest, daß ihr Kopf gerade noch über der Wasseroberfläche war, wenn sie mit den Füßen auf dem Boden stand.
»Halleluja. Ich finde, das schreit nach einem Kuß.
Zur Feier des Augenblicks.« Wieder zog er sie in die Arme und erforschte ihren Mund.
Lachend stieß sie ihn von sich. »Haben Sie denn gar nichts anderes im Kopf als das?«
»Manchmal schon«, gab er zu. »Aber dann nur zwangsläufig.« Er fing sie wieder ein und hob sie hoch, bis ihre Münder auf gleicher Höhe waren.
Jedesmal fiel es ihr leichter, sich seinem Kuß hinzugeben. Einmal mehr ließ sie sich von Wasser und Begierde treiben. Es war wie im Paradies. Das Paradies in der Kohlenzeche…
Nein! Sie mußte wieder zur Vernunft kommen. So lehnte sie sich ein Stück zurück und sagte: »Wenn wir nicht aufhören, fängt das Wasser gleich an zu kochen.«
»Clarissima!« sagte er erfreut. »Das ist das Netteste, was Sie je zu mir gesagt haben.«
Zum Glück versuchte er nicht noch einmal, sie zu küssen, da es um ihre Willenskraft sehr schlecht bestellt war. Schließlich ließ er sie herab, legte ihr einen Arm um die Schulter, und sie gingen weiter.
Bald erreichten sie eine Wand, die ein metallisches Geräusch erzeugte, als Nicholas sie unter Wasser abtastete. »Ich glaube, wir haben die Wettertür erreicht, an der Huw gearbeitet hat.«
Zu ihrer Erleichterung schwamm nirgendwo ein kleiner toter Körper umher. Nicholas tauchte durch die überflutete Öffnung und rief dann Clare, ihm zu folgen.
Als sie auf der anderen Seite auftauchte, wäre sie am liebsten in Jubelgeschrei ausgebrochen.
Flackerndes Kerzenlicht bewegte sich auf sie zu!
Etwa sechs Männer kamen ihnen durch hüfthohes Wasser entgegen, Owen als erster. »Clare, Nicholas! Seid ihr das?« rief er.
»Wir sind beide gesund und munter«, antwortete Nicholas. »Hast du Huw retten können?«
»Ja, obwohl es eine knappe Sache war. Ich mußte ihn sofort hinausbringen. Der arme Bengel ist vollkommen verschreckt.«
»Im Schacht treibt ein Ertrunkener«, sagte Clare nun. »Hat es andere Todesfälle gegeben?«
»Das muß Bodvill sein, möge er in Frieden ruhen«, erwiderte Owen. »Ansonsten ist niemand umgekommen oder ernsthaft verletzt. Wir haben Glück gehabt.«
Einer der anderen Männer wandte sich an Owen.
»Wir sollten Bodvill sofort holen.«
»Er ist nicht weit hinter dem Stück Tunnel, wo sich die Decke absenkt«, erklärte Nicholas.
Der Bergmann nickte und ging mit drei anderen Männern auf die Metalltür zu. Das Wasser war konstant gesunken, und inzwischen konnte man mit brennenden Kerzen hindurch.
Clare und die anderen wateten auf den Hauptschacht zu. »Verzeiht, daß wir so lange gebraucht haben«, sagte Owen. »Vor uns liegt ein Stück Tunnel, das wir erst passieren konnten, nachdem die Pumpe wieder zu arbeiten begonnen hatte.«
»Ist ja nichts weiter geschehen, obwohl ich schon nettere Nachmittage verbracht habe«, sagte Nicholas trocken. »Ist jeder Tag so wie dieser, oder hat man extra für meinen Besuch ein kleines Abenteuer arrangiert?«
Owen seufzte. »Ich wünschte wirklich, daß der heutige Tag eine Ausnahme wäre.«
Der Zwischenfall wird einen positiven Effekt haben, dachte Clare, während sie erschöpft durch das Wasser watete. Nun, da Nicholas selbst miterlebt hatte, wie schlecht die
Arbeitsbedingungen in der Grube waren, war sie bereit zu wetten, daß sich schon sehr bald etwas ändern würde.
Kapitel 11
NICHOLAS WUSSTE, WIE erschöpft Clare sein mußte, und so schlang er einen Arm um ihre Taille, als die Seilwinde sie quietschend hinaufzog.
Nachdem er sie durch die halbe Mine geschleppt hatte, wollte er sie gewiß nicht
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