Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
ihre hohen Löhne berüchtigt war. Als Dank, dass ihre Angestellten ihr die Treue hielten. Ganz davon zu schweigen, dass die Küche gefordert war, das Geheimnis von Marcels kulinarischer Göttlichkeit vor jedem durchschnittlichen Erdenbewohner zu bewahren. Selbst bei einem Massenereignis wie diesem wären ihnen die zusätzlichen Servicekräfte gut bekannt. Höchstwahrscheinlich handelte es sich um dieselben Leute wie im letzten Jahr. Und im Jahr davor.
Das sollte Mr. Worth unbedingt klargemacht werden, dachte Phillippa. Schnell wie ein Blitz flitzten ihr die Gedanken durch den Kopf. Er sollte so gut wie möglich über die Umstände Bescheid wissen, mit denen er es heute Abend zu tun hatte.
»Wo steckt er nur?«, murmelte sie, musterte die Menge und ließ den Blick in den schmalen Flur schweifen, durch den sie eingetreten waren. Dann gingen sie in den Hauptballsaal, wo sie endlich die genügende Ellenbogenfreiheit fanden, sich an einen vorteilhaften Platz zu manövrieren.
»Wo steckt wer?«, ertönte es gelangweilt hinter ihr. Phillippa musste ein Stöhnen unterdrücken, bevor sie sich umdrehte.
»Sie wollen mir doch wohl nicht etwa erzählen, dass Sie den lieben Broughton schon verloren haben«, grüßte Lady Jane schnippisch. »Großartig. Ich habe sogar schon mit ihm getanzt und hoffe inständig, dass er nicht schon wieder gegangen ist. Wie schade für Sie, dass Sie nicht früher eingetroffen sind.«
»Lady Jane«, Phillippa knickste so sparsam wie möglich, »wir wissen beide, dass niemand das Whitford-Bankett verlässt, ohne die Delikatessen zu probieren – und die werden erst später serviert werden. Um aufrichtig zu sein, ich strebe an, nicht zu früh zu erscheinen, denn das würde bezüglich der Köstlichkeiten, die auf uns warten, doch als übereifrig gewertet werden können. Oder soll ich sagen, als unkultiviert?«
Lady Jane durchbohrte sie mit ihrem Blick. Auf ihren Wangen zeigten sich rote Flecken.
»Und da wir gerade darüber reden«, fuhr Phillippa fort, »ich muss es wohl auf mich nehmen, Ihnen den Rat zu geben, diesen besonderen Grünton nicht noch einmal zu tragen. Die Wirkung fuchsroter Haare lässt sich bekanntlich nur schwer abmildern, und zusammen mit diesem Kleid sehen Sie einfach aus, als hätte jemand Ihren Kopf in Flammen gesetzt.«
Während andere junge Ladys sich nach solchen Worten aus dem Munde von Mrs. Phillippa Benning wohl weggeduckt hätten, ließ Lady Jane Cummings sich nicht so leicht einschüchtern. »Ach, wirklich? Nun, ich danke sehr für Ihren Rat. Sie müssen nämlich wissen, dass ich die ungekrönte Königin bin, wenn es darum geht, mir ungebetenen Rat zu Herzen zu nehmen. Ich glaube, das können nur die wenigsten.« Sie musterte Phillippa aus schmalen Augen. »Ich könnte Ihnen jetzt verraten, dass aus dem Übermaß an Perlenstickerei auf Ihrem Mieder der ebenso offenkundige wie jämmerliche Versuch spricht, jenen Teil Ihres Körpers zu betonen, dem es an den richtigen Proportionen mangelt. Aber bis Sie mich nach meiner Meinung fragen, werden Sie diesen meinen Worten wohl ohnehin keine Beachtung schenken.«
Phillippa zog die Brauen hoch. »Sie haben recht, Lady Jane. Ihren Worte schenke ich keine Beachtung.«
»Sehr zu Ihrem Schaden«, schnappte sie zurück.
»Sehr gut möglich. Ach, ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich ohne Sie überleben sollte.«
»Phillippa, sieh nur, da drüben ist Nora. Wir sollten zu ihr gehen«, mischte Totty sich ein, bevor die beiden die Krallen ausfuhren und ihre Handschuhe ruinierten.
»Oh, wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen, Mrs. Tottendale. Da kommt mein nächster Tanzpartner, um mich zu holen. Und zu Ihnen kommt ein Kellner mit einem Tablett voller Champagner. Da räume ich Ihnen lieber den Weg frei.«
Lady Jane knickste noch lässiger als Phillippa und eilte an der Hand eines außerordentlich jungen Colonels zur Quadrille aufs Parkett.
»Gut!«, rief Phillippa aus, kaum dass Lady Jane sich auf dem Parkett und außer Hörweite befand.
»Das war mal ein lustiges Scharmützel!« Totty leerte ihr Champagnerglas in einem Zug, bevor sie nach dem nächsten griff.
»Sie ist schon immer gemein zu mir gewesen. Schon seit der Schule. Daran bin ich gewöhnt. Aber noch nie ist sie so tief gesunken, dass sie dich beleidigt!«
»Beleidigen? Mich? Wie denn?«, fragte Totty so verständnislos, dass Phillippa nur den Kopf schüttelte.
»Ist schon gut, meine Liebe.« Phillippa hatte den Blick auf einen sehr großen Mann gerichtet
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