Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
fest, wobei seine braunen Augen noch nachdenklicher zu schauen schienen als sonst, was vermutlich von seiner Verletzung herrührte – »wie viele Ladys hier Schürzen tragen.«
Phillippa wandte den Blick nicht ab. Und sein Blick, der innig mit ihrem verschränkt war, hätte es auch gar nicht erlaubt. »Drei«, sagte sie, ohne zu den Frauen am Nordende des Serpentine zu schauen, »zwei Dienstmädchen, die unseren Weg gekreuzt haben. Und am Eingang zum Park steht eine Frau mit einem Obstkarren.«
Marcus war mit der Antwort zufrieden und machte weiter, indem er ihr wie bei einem Trommelfeuer Fragen stellte, die sie ebenso schnell beantwortete, ohne mit einem Blick in ihre Umgebung zu überprüfen, ob ihre Antworten auch stimmten.
»Wie viele Männer haben Handschuhe getragen?«
»Alle außer dem Jungen und einem Angestellten.«
»Wie viele Papierstücke haben Sie gesehen?«
»Die Zeitung des alten Mannes, der Junge hatte einen Zettel in der Hand und dann das Pamphlet da drüben auf der Bank gegenüber.«
»Welcher der Männer trägt ein Messer?«
Sie sog die Luft tief in die Lungen.
»Ah … der Junge«, erwiderte sie, zum ersten Mal unsicher.
»Wie kommen Sie darauf?«, hakte er sanft nach.
»Ich … ich weiß nicht genau. Ich vermute, dass unter allen Männern, die wir gesehen haben, der Junge höchstwahrscheinlich ein Taschenmesser oder so etwas bei sich führt. Die Wachen haben natürlich Schwerter und mein Kutscher eine Peitsche. Aber das sind ja keine Messer.«
»Mrs. Benning … Phillippa. Ich möchte, dass Sie sich ganz sicher sind. Raten dürfen Sie nicht. Verstanden?«
Sie nickte und beobachtete ihre Umgebung, während er sich auf der Bank zurücklehnte. Langsam wurde es wärmer. Phillippa ließ den angeleinten und herumzappelnden Bitsy zu Boden, wo er im Schmutz herumschnüffelte und sich schließlich auf Marcus’ Stiefeln niederließ. Auch Phillippa entspannte sich so weit, dass sie sich auf der Bank zurücklehnte.
»Ich könnte gezielter einschätzen, was ich sehe, wenn Sie mir verraten, wonach ich eigentlich Ausschau halte«, sagte sie mit weicher Stimme.
»Wie bitte?« Marcus kniff die Brauen zusammen.
»Laurent«, stieß sie aus. Aber weil ihr klar war, dass sie sich auf schwierigem Terrain bewegte, wählte sie ihre nächsten Worte sehr vorsichtig. »Wenn ich wüsste, wie er aussieht, wie er klingt und wie er sich benimmt … Sie haben doch die Vermutung, dass Laurent der Urheber dieser Misshelligkeiten ist, oder?«
Marcus nickte. »Möglicherweise steckt er mit jemand anders unter einer Decke, wie Sie vor ein paar Nächten so klug bemerkt haben.«
»Dann erzählen Sie mir mehr über ihn. Über Laurent. Erzfeinde wissen schließlich mehr über einander als irgendjemand sonst.«
»Eigentlich würde ich Sie gern fragen, ob für Sie wirklich Wahrheit darinnen steckt. Aber ich befürchte lange Erklärungen Ihres Hasses auf Lady Jane und umgekehrt. Nein, Mrs. … Phillippa. Sie haben ein Recht auf diese Frage. Es ist höchste Zeit, dass ich Ihnen erzähle, welchen Verdacht ich habe. Wenn auch nur als Bestandteil Ihrer Vorbereitung auf unsere Zusammenarbeit.«
Er atmete tief durch und rutschte auf der Bank hin und her, vielleicht, weil er Phillippa dann nicht mehr anschauen musste, vielleicht aber auch, weil er seine Hand dann so nahe an ihre neben den schmiedeeisernen Streben legen konnte. Selbst wenn er weder das eine noch das andere beabsichtigt hatte – er erreichte beides.
»Eigentlich kann ich nicht behaupten, dass ich mehr über Laurent weiß als über irgendjemand anders. Und doch, bestimmt weiß ich mehr. Es ist tatsächlich so, dass Lord Whitfords Erklärung darüber, wie Laurent aufgewachsen ist, unseres Wissens größtenteils richtig ist. Den Namen des Mannes haben wir natürlich erst erfahren, als die Pistolen in britischen Besitz gelangt sind.«
Marcus hielt kurz inne. »Einerseits ist er ein sehr feiner Mann, andererseits aber auch kalt und berechnend. Er genießt die raffinierten Seiten des Lebens. Ich zweifle nicht daran, dass Ihre … Weltläufigkeit«, er gestikulierte unbestimmt in ihre Richtung, »ihn sehr gefangen nehmen würde.«
Was auch sonst? Phillippa zuckte die Schultern.
»Er ist aristokratisch geboren, aber die Revolution hat ihm dieses Erbe entrissen«, fuhr Marcus fort, »eine gewisse Zeit hat er in England verbracht, und ich glaube, er kann den Akzent der britischen Oberschicht perfekt nachahmen. Aber das weiß ich nicht genau. Das zu tun, würde für
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