Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
sich in einem wellenartigen Gekicher, welches Phillippa die Röte in die Wangen trieb. Was ihr glücklicherweise gut stand. Es war kein Geheimnis, dass Broughton Phillippa in der letzten Woche jeden Tag zu Hause einen Besuch abgestattet hatte. Selbstverständlich war er während der üblichen Besuchszeiten erschienen und niemals allein mit ihr gewesen; aber seine betonte Aufmerksamkeit war den bekanntesten Klatschmäulern der Stadt nicht unbemerkt geblieben.
»Ich habe Totty geschickt, damit sie Schmiere steht«, flüsterte Nora ihrer Freundin kaum hörbar zu. »Sie wird uns wissen lassen, wenn er angekommen ist.« Dann reichte sie Phillippa das Kekstablett und lächelte sie an. »Lady Jane und ihr Vater sind erst für morgen früh vorgesehen. Du hast Broughton also den ganzen Abend für dich allein.«
Falls die Absicht dahintersteckte, Phillippa zu beruhigen, dann war es vergeblich. Phillippa hätte überzeugt sein können, dass Broughton ihr den Vorzug gab, wäre da nicht die Tatsache, dass er an jedem Tag dieser Woche nach dem Besuch bei ihr direkt zu Lady Jane gegangen war. Wenn sie also gegen die liebenswerte Lady Jane gewinnen und sich Broughton sichern wollte, dann könnte er erwarten, dass sie auf ihre Anspielungen heute Abend auch Taten folgen ließ.
Phillippa war allerdings sehr viel mehr mit Marcus Worth beschäftigt und vor allem mit der Gefahr, die hier auf dieser Gesellschaft irgendwo lauerte. Oh, wie war es nur möglich, dass niemand sonst diese Gefahr erkannte?
Eine ganze Woche lang war das Whitford-Bankett nun im Gespräch gewesen. Gab es denn wirklich niemanden, der befürchtete, dass ein ähnliches Unheil auch hier geschehen könnte? Phillippa wünschte sich nichts anderes, als Lady Hampshires Zimmer nach der Gästeliste durchsuchen zu können; vielleicht fand sie darauf verdächtige Personen, die sie mit dem Bankett bei den Whitfords in Verbindung bringen konnte.
Und so war es gekommen, dass sie einfach nur die Augen offen hielt und jede Kutsche registrierte, die die Auffahrt hinaufkam, sich jedes Gesicht merkte, auf das ihr Auge fiel.
Aber sie entdeckte nur Menschen, die ihr schon bekannt waren.
Das sollte sich sehr schnell ändern.
Eine Stunde nachdem Totty in den Salon zurückgekehrt war, die Hand atemlos nach ihrem starken Lieblingstee ausgestreckt, und den versammelten Ladys die Ankunft des Marquis of Broughton verkündet hatte, was ihr nicht wenige Blicke in ihre Richtung eintrug, schlossen sich die Ladys den Gentlemen im Hauptsalon an (nicht zu verwechseln mit dem zweiten Salon, dem blauen Salon, den Wohnzimmern oder dem Ladys’ Salon), um dort auf das Signal zum Dinner zu warten.
Heute war erst Freitag; es sollte ein ruhiger Abend werden, mit einem Abendessen und Kartenspielen und ein paar amüsanten musikalischen Darbietungen, denn sehr früh am nächsten Morgen begann das Rennen. Daher handelte es sich auch nur um ein informelles Essen; die Männer verzichteten auf ihre seidenen Kniehosen, und die Ladys legten nur ihr zweitbestes Diamantcollier an.
Phillippa betrat den Hauptsalon, von der Aufmerksamkeit begleitet, die ihr stets zuteil wurde, und suchte sofort nach Marcus. Sie fand ihn in ein leises Gespräch vertieft mit …
War das wirklich möglich?
Sein Haar war schwarz, so schwarz, dass es blau schimmerte. Sein Teint war blass, und einen Spazierstock hatte er auch dabei. Aber was hatte der Mann aus dem Park mit Marcus zu tun?
»Mrs. Benning«, sagte Marcus, als Phillippa zu den beiden eilte, »darf ich Ihnen meinen Bruder Byrne vorstellen?«
Erschüttert spürte sie einen Schauder über ihren Rücken jagen. »Ihr Bruder.«
»Ja«, ergänzte der dunkelhaarige Mann. »Wie zu hören war, habe ich Ihnen für diese Einladung zu danken.« Er verbeugte sich zackig, stützte sich dabei aber auf seinen Stock.
»Ich befürchte … dass Sie mich auf dem falschen Fuß erwischt haben. Als Mar… als Mr. Worth mir erklärte, dass sein Bruder interessiert sei, an der kommenden Party zum Rennen teilzunehmen, hatte ich angenommen, dass er Lord Worth und Mariah meinte.«
Marcus räusperte sich. »Byrne ist mein zweitältester Bruder, Ma’am. Er … «
»… war an jenem Morgen im Park«, beendete Phillippa den Satz.
»Das müssen Sie ihm nachsehen. Just an jenem Tag war er gerade vom Lande in die Stadt gereist. Er … er … «
»… hatte nicht damit gerechnet, Sie mit Marcus zu sehen.« Kurzerhand hatte Byrne für ihn zu Ende gesprochen und ließ den Blick durch den Salon
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