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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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einem Gemisch aus Liebe und Sehnsucht das Zusammentreffen mit den Freunden und Brüdern aus den Fernen des Alls, denn darüber, daß es Freunde und Brüder sein würden, gab es keine Diskussion.
    Alles andere aber wurde erregt diskutiert: Wie diese anderen – ja, wie sollte man nun sagen? Lebewesen? Menschen? Nein, das ginge wohl nicht, am besten bliebe man doch bei Brüder – wie also die Brüder aussahen? Aber an dieser Wahl des Ausdrucks, die ganz unbemerkt und unwillkürlich vor sich gegangen war, zeigte sich schon, daß die meisten erwarteten, menschenähnliche Wesen vor sich zu haben, vielleicht mit diesen oder jenen Abweichungen, aber jedenfalls nicht abstoßend, sondern in der Harmonie biologisch entstandener und durch Kultur veredelter Formen. Auch hatte man für das fremde Raumschiff schon einen Namen geprägt – ALIENA, die Fremde.
    Diese Debatten erhielten immer wieder Nahrung durch die ständige Bekanntgabe des Signalwechsels zwischen der Flotte und der ALIENA. Mit Hilfe falscher und richtiger Gleichungen war es gelungen, Übereinstimmung zu erzielen über zwei nicht-mathematische Zeichen, die Falsch und Richtig oder Ja und Nein bedeuteten, und die ALIENA, die nun schon auf dem Schirm der stärksten Radargeräte als Punkt sichtbar wurde und wohl mit ihren weitreichenden Geräten die Vorgänge beim Feld geraume Zeit hatte beobachten können, hatte die Zerstörung des Feldes bejaht, als richtig bezeichnet, und der Beifall von dieser Seite machte die ganze Flotte unbeschreiblich stolz.
    Lutz, den Sprachwissenschaftlern und Anthropologen und dem technischen Stab unter Kathleen Schtscherbin war für ihre Arbeiten eine eigene Ringstation zur Verfügung gestellt worden. Auch Duncan hielt sich hier auf, meist auch Nadja, und auch Yvonne kam herüber, wenn ihre Arbeit es erlaubte. Eines Tages aber erhielten sie eine Sendung von der ALIENA, die nicht in der bisherigen dualen Ausdrucksweise gehalten war, sondern nur aus mehreren Hunderttausend Impulsen verschiedener Größe bestand. Da siedelte nun auch Yvonne ganz über, um bei der Dechiffrierung zu helfen. Es war klar, daß hier eine neue Stufe der Verständigung betreten wurde. Aber welche? Worin bestand sie?
    Die Idee war bald gefunden: Nach den abstrakten Zeichen der Mathematik war die nächste Stufe, die einerseits technisch erreichbar und andererseits ohne Konvention verständlich war, ein Bild. Ein Funkbild also wahrscheinlich, jeder Impuls ein Bildpunkt.
    Alles andere erledigte die Elektronik.
    Sie saßen vor dem Bildschirm. Eine Reihe rechteckiger Anordnungen wurden ausprobiert, jede blieb etwa eine halbe Sekunde stehen, und dann – ein Aufschrei. Schon wieder fort – schnell drehte Lutz zurück, und da war das Bild wieder: eine Karte der Erde.
    Lutz brach als erster das Schweigen. Daß die Brüder die Erde kannten – wenn auch vielleicht die Erde vor Jahrtausenden, eine genaue Überprüfung der Karte würde das wenigstens ungefähr ergeben – daß sie also den heimischen Planeten kannten, hatte jeder begriffen. Und so beschränkte Lutz sich auf die Frage: „Was senden wir als Antwort?“
    Einen Augenblick herrschte noch Stille, dann kam ein Durcheinander der verschiedensten Vorschläge, bis sich schließlich die Stimmen doch vereinigten zu dem Vorschlag: ein Bild vom Menschen.
    „Und von wem?“
    Nadja Shelesnowa erklärte mit Entschiedenheit: „Da Lutz Gemba die ganze bisherige Verständigung geleitet hat und sie auch weiter leiten wird, sollte es sein Bild sein. Und da seine Frau die allererste Botschaft entschlüsselt hat, sollte es auch ihr Bild sein.“
    Niemand widersprach, wenn auch vielleicht mancher die beiden ein wenig um diese Ehre beneidete.
    Die Antwort von der ALIENA zeigte ebenfalls zwei – nun ja, doch: Menschen. Die Proportionen waren, soweit die Kleidung das erkennen ließ, etwas anders, die Hände länger und vierfingrig, die Gesichter erschienen fremd mit ihren sehr großen, sehr tiefliegenden und schrägstehenden Augen – aber es war, wenigstens auf den ersten Blick, alles vorhanden, was auch der Mensch hatte, nur jeweils in etwas anderen, aber trotzdem angenehm wirkenden Größenverhältnissen…
    Die Verständigung machte schnelle Fortschritte. Zwar hatten die Sprachwissenschaftler auf ein Bildwörterbuch gedrängt, aber Lutz setzte es durch, daß auf dem Wege über technische Schemata zunächst eine höhere Form der Verbindung, der Bildfunk, vorbereitet wurde, dann würde man, wie er überzeugend argumentierte, solche

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