Ein Stern für Lou - Die Popkörner ; [1]
Luke geklopft und gefragt, wie es ihr ginge. Seine Stimme hatte Lou gutgetan. Trotzdem war sie nicht zum Essen runtergegangen. An diesem Abend wollte sie einfach allein sein.
Inzwischen war es draußen dunkel geworden und Lou knipste den kleinen Strahler in ihrem Bücherregal an. Auf ihrem Notenständer stand das Heft, das Felix ihr für den Gitarrenunterricht geliehen hatte, und daneben lag ihre Gitarre. Lou nahm sie und machte es sich im Schneidersitz auf ihrem Bett gemütlich. Sie spielte kein Lied, das sie kannte, sondern probierte einfach herum. Ein Akkord reihte sich an den nächsten, mal glitten ihre Finger über alle Saiten, mal zupfte sie nur einzelne. Es tat so gut, an nichts zu denken. Sich einfach forttreiben zu lassen von den Tönen, die sich mehr und mehr zu einer kleinen Melodie verdichteten. Und ohne dass Lou später sagen konnte, woher diese Worte gekommen waren, gingen sie ihr nicht mehr aus dem Kopf:
Du bist von einem andern Stern.
Von einem andern Stern!
In der Jacobi-Villa im ersten Stock stand Motte und blickte durch den Spalt in ihrer Gardine zum Kutscherhaus hinüber. In Lous Zimmer brannte noch Licht. Lou konnte also auch nicht schlafen. Motte wusste, dass etwas furchtbar schiefgelaufen war. Noch in der Sekunde, in der Lou Antons Hand genommen hatte, war ihr das Lachen im Halse stecken geblieben. Aber nun war es zu spät. Dabei hatte sie doch vor allem aus Erleichterung gelacht, weil sie Anton endlich gefunden hatten. Aber Motte war auch klar, wie es für Lou ausgesehen haben musste: Ihre Freundin lachte sie aus.
Ob Lou morgen überhaupt mit ihr zur Schule fahren würde? Sie an ihrer Stelle hätte es nicht gemacht. Motte wandte sich vom Fenster ab und ging langsam zu ihrem Schreibtisch. Vielleicht sollte sie Lou einen Brief schreiben, in dem sie ihr alles erklärte. Sie konnte den Brief an Lous Fahrrad kleben. Dann würde Lou ihn noch vor der Schule haben. Erleichtert, etwas tun zu können, fing sie an zu schreiben.
Sie war gerade dabei, den letzten Satz zu schreiben, als es an ihrer Tür klopfte. Schnell schob sie ihr Matheheft über den Brief und sagte: »Herein.«
Es war Grandmère. »Machst du immer noch Hausaufgaben?«, fragte sie und trat näher. Sie trug ihre lange cremefarbene Hausjacke, ein blau-weiß gestreiftes T-Shirt und eine weite Hose. Motte drückte ihr Gesicht in den weichen Stoff. »Ich hab nur noch was geschrieben«, flüsterte sie. »Aber jetzt bin ich fertig.«
Grandmère streichelte über Mottes Haar. »Ich habe von eurem Nachmittag gehört. Das muss schlimm gewesen sein.«
Motte schluckte. »Es war schrecklich.«
Grandmère ging zum Fenster hinüber. »Zum Glück habt ihr Anton wiedergefunden«, lächelte sie. »Trotzdem scheint es Lou sehr mitgenommen zu haben. Sie ist den ganzen Abend nicht aus ihrem Zimmer gekommen.«
»Sie… sie war total geschockt«, erwiderte Motte mit rauer Stimme.
Grandmère nickte und zog die Vorhänge zurecht. »Wenn meine Freundin so einen Schock erlebt hätte, wäre ich wohl noch einmal zu ihr rübergegangen.«
Motte drehte ihren Stift in den Händen. »Aber es ist doch schon nach zehn! Ich kann doch nicht mitten in der Nacht zum Kutscherhaus!«
Grandmère ging zur Tür. »Nicht? Du flatterst doch sonst so gerne durch die Nacht.«
»Aber ich…«, setzte Motte an, da hatte Grandmère das Zimmer bereits verlassen.
»Gute Nacht, Motte. Und vergiss nicht, manche Dinge dulden keinen Aufschub!«
So kam es, dass Motte kurze Zeit später oben vor der Tür des Kutscherhauses stand. »Ich muss total verrückt sein«, dachte sie und klopfte.
Falls ihr Onkel sich darüber wunderte, dass Motte um halb elf Uhr nachts im Pyjama vor der Tür stand, zeigte er es nicht. Er legte nur den Finger an die Lippen und sagte: »Anton schläft schon.«
So schlüpfte Motte auf Zehenspitzen durch den schmalen Flur zur Leiter, die in Lous Dachzimmer führte. Bei der dritten Stufe hielt sie kurz inne. Was, wenn Lou sie gar nicht sprechen wollte und sie wegschickte? Aber das Risiko musste sie nun eingehen. Sie kletterte die letzten zwei Sprossen hoch und öffnete die Luke.
»Lou«, flüsterte sie in die Dunkelheit. »Lou, schläfst du schon?« Sie kletterte vorsichtig in das Zimmer hinein und machte die Luke hinter sich zu.
»Geh weg!«, kam es vom Bett.
»Bitte, Lou. Ich… ich möchte mit dir reden.«
»Lass mich in Ruhe!«
Motte tastete sich vorsichtig auf das Bett zu. Allmählich gewöhnten ihre Augen sich an die Dunkelheit und sie konnte
Weitere Kostenlose Bücher