Ein Stiefel voll Glück - Oskar und Mathilda ; 1
feierlich. »Schließlich ziehen wir drei am gleichen Strang.«
»Das will ich meinen«, grunzte Mathilda.
Sie huschte nach draußen, schob den Mofamotor auf seinem Blumenrollbrett ins Haus und stellte ihn nur wenige Schritte von der Tür entfernt neben dem großen Korbsessel ab. Wie fast immer hatte Opa Heinrichen jede Menge Handtücher und weiße Bettlaken von der Wäscheleine darauf gestapelt, die er irgendwann, wenn er mal Lust hatte, zusammenlegen und in seinen Schrank räumen würde.
Den Benzinkanister platzierte Mathilda gleich neben dem Rollbrett. »Nur diese eine Nacht«, schwor sie, als sie den Unwillen im Blick des alten Herrn sah. »Morgen experimentiere ich beim Schuppen weiter.« Auch sie legte ihre Hand aufs Herz. »Versprochen.«
»Na dann«, sagte Opa Heinrichen und klopfte ihr auf die Schulter. »Auf ein gutes Gelingen.«
Mathilda reckte den Daumen in die Höhe, dann drehte sie sich um und lief zur Hecke. In null Komma nix war sie bei der Verandatür. Zum Glück hatte niemand bemerkt, dass sie diese nur angelehnt hatte. Mathilda huschte ins Haus, tappte in fliegender Hast die Treppe hinauf, schlüpfte in ihren Pyjama und erledigte die Nachtwäsche.
Vor dem Spiegel probierte sie Unschuldsmienen aus. Die beste hielt sie auf ihrem Gesicht fest und spazierte nach unten, um ihrer Mutter eine gute Nacht zu wünschen.
Barbara und Ronald von Dommel saßen im großen Wohnzimmer auf dem weißen Ledersofa und diskutierten heftig miteinander.
Mathilda war so überrascht, ihren Vater zu sehen, dass sie gar nicht darauf achtete, worum es in dem Gespräch ging, sondern sich laut quiekend in seine Arme stürzte.
»Ach, Papilein!«, jubilierte sie und pflasterte Ronald von Dommels Wangen mit Küssen. »Wie schön, dass du schon so früh zu Hause bist!«
»Schön ist hier im Augenblick gar nichts«, wies ihre Mutter sie zurecht. »Deinem Vater wächst die Arbeit über den Kopf. Und nur wegen diesem unmöglichen Herrn Heinrichen musste er alles stehen und liegen lassen. – Äh, wo bist du eigentlich den ganzen Tag gewesen?«, fügte sie in äußerst strengem Tonfall hinzu.
»Aber das weißt du doch!«, rief Mathilda. »Heute Vormittag hatte ich Unterricht. Und während du mit Herrn Schobisch Birnentorte gegessen hast, habe ich eine Sachkundearbeit über Vergaser, Polantrieb und Zweitaktgemisch ausgearbeitet.«
»Ist nicht wahr!«, rief Ronald von Dommel bewundernd. »So etwas interessiert dich?«
»Und wie«, sagte Mathilda strahlend und übersäte ihren Vater ein weiteres Mal mit Küssen. Dann wendete sie sich ihrer Mutter zu: »Opa Heinrichen ist übrigens nicht unmöglich. Er ist cool und er mag mich. Und deshalb hat er diesen ganzen Kompost auch nicht in dein Beet geworfen.«
»Aber Kindchen!« Barbara von Dommel schüttelte den Kopf. »Wer soll es denn sonst gewesen sein, hm? Na ja«, meinte sie.»Diese Untermieterin und ihr Rotzlöffel sind schließlich auch noch da. Dann sind die es eben gewesen.«
»Mama!«, rief Mathilda. »Wie kannst du nur so etwas behaupten! Außerdem ist Oskar kein Rotzlöffel, sondern sehr nett.«
»Aber er passt hier nicht her«, erwiderte ihre Mutter. »Und jemand, der sein Grundstück nicht in Ordnung hält, auch nicht.«
»Wer sagt denn, wann ein Grundstück in Ordnung ist?«, blaffte Mathilda.
»Die Mehrheit«, sagte Ronald von Dommel. »Es sind immer die Einzelnen, die sich der Mehrheit anpassen müssen«, erklärte er seiner Tochter. »Und wenn sie das nicht können oder wollen, dann müssen sie eben gehen.«
»Aber das ist doch bescheuert«, knurrte Mathilda und sah ihre Mutter herausfordernd an. »Es ist total langweilig, wenn alles gleich aussieht. Die Gärten hier kann man ja kaum noch voneinander unterscheiden.«
Barbara von Dommel nickte gefällig. »So soll es ja auch sein.«
»Ich finde das aber blöd«, maulte Mathilda.
»Du bist ja auch noch ein Kind«, entgegnete ihre Mutter. »Mit der Zeit wirst du schon noch lernen, was wirklich wichtig ist.«
Mathilda verdrehte die Augen. »Du hast ja keine Ahnung, Mama. Ich finde einfach bloß andere Dinge wichtig.«
Barbara von Dommel machte eine unwillige Geste. Sie holte tief Luft und öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch ihr Mann hatte bereits das Wort ergriffen.
»Außerdem geht es hier mittlerweile um mehr als nur Einzelne und Mehrheiten«, sagte Mathildas Vater. Er schob seine Tochter von seinem Schoß herunter, stand vom Sofa auf und begann wild gestikulierend auf und ab zu laufen. »Deine
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