Ein stiller Waldteich: Die Erkenntnismeditation von Ajahn Chah (German Edition)
Zustand des eigenen Geistes und die eigene Praxis zu überprüfen. Es ist wichtig, die Kernaussagen seiner Lehren auf sich zu beziehen. Kannst du sie in dir selbst erkennen? Übst du korrekt, oder machst du bestimmte Fehler? Hast du die richtige Einstellung? Niemand anderes kann dies für dich tun, du kannst den Zweifel nicht beenden, indem du anderen zuhörst. Vielleicht gelingt es dir, deine Ungewißheit zeitweilig zu beschwichtigen, doch sie wird zurückkehren und du wirst nur noch mehr Fragen haben. Der Zweifel kann nur dann aufhören, wenn du ihn ein für alle Mal selbst ausräumst.
Wir müssen die physische Abgeschiedenheit des Waldes als Hilfe zur Entwicklung der Achtsamkeit nutzen, diese Abgeschiedenheit ist nicht als Isolation und Flucht gedacht. Wie könnten wir auch unserem Geist und den drei Merkmalen bedingter Phänomene entfliehen? Leiden, Unbeständigkeit und Nicht-Selbst sind wirklich überall. Sie gleichen dem Geruch von Kot. Egal, ob der Haufen groß oder klein ist, der Geruch ist derselbe.
Sich der Begierde widersetzen
Wäre das Laienleben für die Praxis am besten geeignet, hätte der Buddha uns nicht Mönche werden lassen. Unser Körper und Geist sind eine Bande von Dieben und Mördern, die uns unaufhörlich zu den Feuern von Gier, Haß und Verblendung hinziehen. Das Laienleben mit seinen dauernden Sinneskontakten ist viel schwieriger, es ist so, als ob uns jemand Willkommensworte von einem Haus aus zuriefe: »Oh, komm her, komm bitte hierher«, und wenn du dich dem Haus näherst, würde die Tür geöffnet und auf dich geschossen.
Du kannst asketische Übungen auf dich nehmen, indem du zum Beispiel abgenutzte, unattraktive Gegenstände verwendest oder die Leichenmeditation ausführst und in jedem, den du anschaust, einschließlich deiner eigenen Person, eine Leiche oder ein Skelett siehst. Doch diese Übungen sind nicht einfach. Sobald du ein hübsches junges Mädchen erblickst, hörst du auf, Leichen zu sehen.
Körpermeditation ist ein Beispiel für unser Widerstehen. Wir betrachten den Körper normalerweise als gut und schön; die Übung besteht darin, seine unbeständigen und unangenehmen Aspekte zu untersuchen. Wenn wir jung und stark sind, noch nicht an einer schweren Krankheit leiden, ist es leicht, falsch zu denken und unangemessen zu handeln. Der Tod scheint weit entfernt, man fürchtet nichts und niemand. Falls wir nicht meditieren, werden wir Krankheit und Altern erleben müssen, um unsere Ansichten zu ändern. Warum darauf warten? Sei einfach wie jemand, der gestorben ist. Dein Begehren ist natürlich noch nicht gestorben, das ist wahr, doch benimm dich, als wäre es das.
Manchmal ist es notwendig, ins Extrem zu gehen, wie zum Beispiel in der Nähe gefährlicher Tiere zu leben. Wenn du weißt, daß sich Tiger und wilde Elefanten in der Gegend befinden und du fürchtest um dein Leben, wirst du keine Zeit haben, über Sex nachzudenken. Oder du kannst dein Essen reduzieren und fasten, um vorübergehend die Energie zu vermindern.
Einige Mönche leben auf Friedhöfen und machen Tod und Verfall zu ihrem konstanten Meditationsobjekt. Als junger Mönch lebte ich gerne unter alten Männern, fragte sie, wie es sei, alt zu werden, betrachtete sie und erkannte, daß wir alle denselben Weg gehen müssen. Ist man sich fortwährend der Tatsache von Tod und Verfall bewußt, so entsteht Leidenschaftslosigkeit und Enttäuschung in bezug auf die Welt der Sinne, und dies führt zu Verzückung und Konzentration. Man sieht die Dinge, wie sie sind, und ist frei von ihnen. Wenn die Meditation dann später gefestigt ist, gibt es keine Probleme mehr. Wir werden nur von Begierde getrieben, weil die Meditation noch nicht unerschütterlich ist.
Wenn wir in den Wald kommen, um als Mönche zu leben, lassen wir die geistigen Trübungen nicht länger ihren Lauf nehmen und finden so heraus, daß sie uns recht hart treten können. Geduld und Beharrlichkeit sind das einzige Heilmittel. In der Tat gibt es in unserer Praxis zuweilen nichts anderes mehr als nur Beharrlichkeit. Doch natürlich wird sich das ändern.
Die Leute draußen mögen uns für verrückt erklären, so im Wald zu leben und wie Statuen zu sitzen. Doch wie leben sie? Sie lachen, sie weinen, sie sind so sehr in die Welt verstrickt, daß sie sich manchmal selbst oder gegenseitig aus Gier und Haß umbringen. Wer sind die Verrückten?
Erinnere dich immer daran, warum wir die Ordination gewählt haben. Jeder, der sich einer Praxis wie der unseren
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