Ein stuermischer Retter
ruhig und schien sich mit Faith gut zu verstehen.
Doch als er Estrellita nun fragte, warum sie angegriffen worden war, konnte von Fügsamkeit keine Rede mehr sein.
Sie hob trotzig, aber nicht sehr überzeugend die Schultern. „Woher soll ich das wissen? Sie waren doch auch dabei!"
Mac beugte sich vor. „Sprechen Sie nicht in diesem Tonfall mit dem Capt'n. Und jetzt antworten Sie, Mädchen. Wir tun Ihnen nichts zuleide, aber irgendetwas müssen Sie gemacht haben, dass diese Frauen alle so wütend auf Sie waren."
Faith war verblüfft über Mac. Als Faith seinerzeit zu ihnen gestoßen war, hatte er ihr fast den Kopf abgerissen, doch zu diesem Mädchen war er beinahe ... sanft. Sie wollte dazu schon eine Bemerkung machen, aber Nick, der neben ihr saß und den Arm um sie gelegt hatte, drückte sie kurz an sich und schüttelte stumm den Kopf. Estrellita reagierte gereizt. „Was ich mache? Ich verhexe ihre Männer, vergifte ihre Brunnen, lasse ihre Milch gerinnen, verwandele Wein in Essig und heile, nein, verderbe ihre Kinder, das ist alles!"
Mac zog eine Augenbraue hoch und fragte milde: „Ist das alles? Sie haben ihre ungeborenen Kinder nicht auch noch mit einem Fluch belegt?"
Sie funkelte ihn an. „Nein, aber Sie verfluche ich, Sie großer roter Bär!"
Zum Erstaunen aller zeichnete sich so etwas wie ein flüchtiges Grinsen auf seinem Gesicht ab. „Und was war mit diesen Blagen, die, die Sie geheilt haben?"
„Blagen?"
Sie runzelte verwirrt und argwöhnisch die Stirn. „Blagen?", wiederholte sie. „Winzlinge. Kinder. Babys."
„Ein Fieber", meinte sie beiläufig.
„Und was haben Sie getan?"
„Ich habe sie mit lebendigen Kröten gefüttert", brauste sie auf. „Sie dann geröstet und verspeist, und hinterher habe ich nackt mit dem Teufel getanzt! Was haben Sie denn gedacht?"
Mac ließ sich von ihrem Ausbruch nicht aus der Fassung bringen. „Sie haben also das Fieber gesenkt. Womit?"
„Katzenminze, Ysop und Thymian, dazu etwas Süßholzwurzel", murrte sie verdrießlich.
Er nickte. „Sehr gut. Warum waren die Frauen dann so wütend?"
Ihre dunklen Augen funkelten vor Zorn. „Weil ich ihre Männer verhext habe, natürlich, und das wiederum nackt, noch dazu mitten auf dem Dorfplatz!"
Mac machte ein nachdenkliches Gesicht. „Das Problem fing also mit den Männern an." Er betrachtete sie prüfend. „Was haben sie von Ihnen verlangt?"
Sie blieb stumm und starrte ihn wutentbrannt an.
„Sie sind zwar ein hübsches Mädchen", stellte Mac ruhig fest, „aber auch wenn die Männer Sie begehrten, so hätten sie Sie nicht vor ihren Frauen um Ihre Gunst gebeten. Haben die Männer Sie irgendwohin gebracht?"
„Ins Gasthaus", räumte sie mürrisch ein. „Ich dachte, sie wollten mich bezahlen, weil ich ihre Babys gesund gemacht habe, aber sie wollten ... sie wollten ..." Sie spuckte aufgebracht ins Feuer. „Sie wollten, dass ich das tue, was ich für keinen Man tue!" „Und die Frauen fanden das heraus."
Sie zuckte nur mit den Achseln.
„Und sie haben es Ihnen zum Vorwurf gemacht, nicht wahr?", vermutete Faith. „Das Gleiche ist mir auch passiert!"
Das Mädchen sah Faith verblüfft an. „Ihnen?"
Faith nickte nachdrücklich. Sie beugte sich vor und tätschelte Estrellitas Hand. „O ja, wenn man ohne Freunde, allein und obendrein ... hübsch ist, wollen die Männer etwas von einem. Aber aus irgendeinem schrecklichen Grund geben alle der Frau dafür die Schuld. Das ist so ungerecht."
Das Mädchen nickte und senkte den Kopf. „Sí, Señora, man gibt immer der Frau die Schuld."
Nick glaubte, Tränen in Estrellitas Augen zu sehen, und das überraschte ihn.
Vielleicht war sie doch nicht so hart im Nehmen, wie er gedacht hatte. Gleichzeitig fiel ihm auf, dass sie wohl auch noch nicht so alt war, wie er sie anfangs eingeschätzt hatte. „Wie alt sind Sie?", fragte er sie.
Sie betrachtete ihn misstrauisch, fand es dann aber offenbar nicht gefährlich, seine Frage zu beantworten. „Neunzehn."
Faith strahlte. „Ich bin auch neunzehn!"
„Und woher kommen Sie?", fuhr Nick fort.
„Warum wollen Sie das wissen?"
„Aus keinem besonderen Grund."
„Mein Mann will sagen, dass wir nach Süden reisen, genauer gesagt nach Bilbao", warf Faith ein. „Wenn Sie also irgendwo in dieser Richtung zu Hause sind, könnten
wir Sie begleiten. Es ist für eine Frau nicht sicher, allein unterwegs zu sein."
Nick sah Faith leicht irritiert an. Das hatte er ganz und gar nicht sagen wollen. Zum einen war dieses
Weitere Kostenlose Bücher