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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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versprach der Detektiv.
    Crivelli wandte sich ab, holte ein Glas aus dem Regal, welches er mit einer hin- und herdrehenden Bewegung gegen das Licht hielt und es dann zu polieren begann. Als reinige er etwas Lebendiges. Oder zumindest die Hülle von etwas Lebendigem.
    »Was soll das heißen?« fragte Mortensen. »Mich unter die Lupe nehmen?«
    »Regen Sie sich nicht auf, Mortensen. Wir haben die Zeichnung. Das wird uns weiterbringen. Ein Porträt ist ja immer auch ein Porträt dessen, der es angefertigt hat.«
    »Was haben Sie vor?«
    »Ich werde Marlocks Konterfei auf Spuren seiner Porträtistin untersuchen lassen. Mal sehen, was dabei herauskommt.« Daraufhin leerte Cheng sein Glas und sagte: »Ich denke, ich gehe jetzt. Dieser Engel in der Landschaft ist ein wunderbarer Cocktail, aber man sollte nie mehr als einen davon zu sich nehmen. Und auch sonst nichts. Nur noch schlafen. Es schläft sich dann prima.«
    Mortensen und Cheng zahlten. Jeder für sich. Crivelli sagte kein Wort. Aber als Cheng den Bierdeckel – allein die Kanten berührend – in die Innentasche seiner Anzugsjacke schob, machte der Barkeeper ein ernstes, mahnendes Gesicht. Seine Narben funkelten. Seine Nase rückte erneut nach vor.
    »Sie bekommen ihn zurück, keine Angst«, versprach Cheng und trat auf die Garderobe zu. Sein leichtes Hinken war durchaus auffällig. Aber zumindest dann, wenn Cheng diesen Anzug trug, verlieh das Handikap seinem Gang etwas Exaltiertes. Als sei dieses Hinken eine modisch-abgehobene Version simplen Gehens.
    Vor der Türe, in der frostigen Luft aus Minusgraden, reichten der Detektiv und sein Auftraggeber sich die Hand.
    »Sobald ich etwas weiß, werde ich Sie informieren«, versprach Cheng, der bereits darüber Kenntnis besaß, daß Mortensen derzeit im »Bunker« einer Freifrau lebte und gegen Ende der nächsten Woche wieder in seine Wohnung zurückkehren würde. Cheng hatte beide Telefonnummern in sein kleines Notizbuch aufgenommen, in das er alles, was der Fall war, notierte. Jedoch ohne Ordnung und Übersicht.
    Die beiden Männer gingen auseinander, obwohl sie eigentlich dieselbe Stadtbahn hätten nehmen können. Cheng aber entschloß sich zu einem kleinen Spaziergang, Lauschers wegen. Wenn es freilich nach dem Hund gegangen wäre, hätte dieser sofort gegen die Fassade von Tilanders Bar pinkeln können. Es war nicht nötig, Stuttgart zu erobern oder zu entdecken, um eine Notdurft zu verrichten. Aber das Spaziergehen gehörte nun mal dazu. Intuitiv begriff Lauscher, daß es seine Pflicht war, Cheng durch die eisige Kälte zu begleiten, auch wenn das für ihn, den Kurzbeinigen, eine harte Prüfung bedeutete.
    Daß der folgende Tag dem Herrn und der Arbeitspause gewidmet war, ignorierte Cheng. Und das, obwohl er durchaus dem Katholischen anhing und dieses Katholische im Rahmen des Österreichischen auszuüben pflegte, also mit einer Lustlosigkeit gegenüber Gott und einer Lustfülle gegenüber den Riten, den Ornamenten, vor allem den Fresken in den Kirchen.
    Die Österreicher blicken nie zu Gott, immer nur zu den Deckenmalereien auf. Dies aber mit einer ungeheuren Innigkeit, so daß man sagen kann, kein Volk der Welt verfüge über ein derart deutliches Bild von Gott, seinem Reich und seinen weltlichen Nutznießern, wie das die Österreicher tun.
    Gegen elf Uhr vormittags rief Cheng einen gewissen Stoll an, wehrte dessen Hinweis auf die sonntägliche Ruhe ab und erklärte, er würde in einer Stunde vorbeikommen. Stoll war das, was man einen leidenschaftlichen Spurensucher, einen Meister forensischer Praktiken nennen konnte. Die Polizei hätte dankbar sein müssen, einen solchen Mann zu beschäftigen. War sie aber nicht. Weshalb Stoll in seiner Freizeit für andere Leute arbeitete, die seine Fähigkeiten zu schätzen wußten. Und die ihn in gebührender Weise lobten und entlohnten.
    Als Cheng bei Stoll erschien, stand dieser mit einem Bademantel bekleidet im Türrahmen. Cheng machte nicht viel Umstände, hielt dem müde dreinblickenden Mann den Bierdeckel vors Gesicht und sagte: »Die Fingerabdrücke. Und von wem sie stammen.«
    Stoll betrachtete die Zeichnung, sah dann zu Cheng und sprach im Ton des Gequälten: »Nehmen Sie im Wohnzimmer Platz. Und seien Sie so gut, lassen Sie Ihren nassen Hund hier im Vorraum stehen.«
    Lauscher war es gewohnt, für all den Regen und Schnee und Matsch, unter dem er selbst am meisten zu leiden hatte, auch noch bestraft zu werden. Er spürte den leichten Druck gegen seinen Rücken und

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