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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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daß Ironie und Ernst zu einem einheitlichen Brei verkamen. Cheng erhob sich.
    »Danke, Otto. Ich will nicht ausschließen, daß du mir geholfen hast. Kann ich mich revanchieren?«
    Während Bodländer den Bierdeckel an Cheng zurückgab, meinte er: »Wenn du diese Frau findest, bring mich mit ihr zusammen. Ich würde mich gerne von ihr zeichnen lassen.«
    »Ich hoffe, daß das nicht einem Todesurteil gleichkommt.«
    »Das Risiko würde ich in Kauf nehmen.«
    »Gut«, sagte Cheng, »ich werde sehen, was ich tun kann. Also Otto, treib weiter die Bildung der Herzen voran.«
    »Und du, paß auf dich auf! Übrigens netter Anzug. Steht dir.«
    »Danke«, sagte Cheng, stieg vom Podest und ging zwischen Kies und Erde aus dem Büro hinaus.
    Als Cheng vor der alten Eisentür stand, durch die er wie üblich in den hinteren, hofseitig gelegenen Raum seines Büros treten wollte, der ehemaligen Werkstätte des Schusters, da bemerkte er, daß das Zündholz verschwunden war. Selbiges postierte er ein jedes Mal, wenn er fortging, in einem Winkel der verschlossenen Türe. Es stellte es schräg gegen die Metallplatte, so daß das kleine Stück beim Öffnen umfiel. Und genau das mußte geschehen sein. Cheng hob das Hölzchen von der Türschwelle und betrachtete es nachdenklich, mit einem Anflug von Nervosität, was sich dadurch bemerkbar machte, daß sein fehlender Unterarm schmerzte. Was Cheng selbst als »Phantomgicht« bezeichnete.
    Die Vorsicht, die ihn dazu trieb, Zündhölzchen aufzustellen, war eine prinzipielle, die er nach dem Verlust seines Arms entwickelt hatte. Daß nun aber tatsächlich jemand in sein Büro eingebrochen war, überraschte ihn. Er glaubte nicht an einen Dieb. Diebe kannten sich in der Regel aus und drangen nicht in Läden ein, in denen nicht wirklich etwas zu holen war. Denn selbst bei dem Inhalt des Glasschranks handelte es sich um bloße Andenken und wertlosen Ramsch. Die Skulptur des Heiligen Georgs war nicht aus dem Mittelalter, sondern aus Plastik. Ein Dieb hätte das auch ohne Einbruch herausbekommen.
    Nein, der »Besuch« mußte andere Gründe haben. Cheng tat nun etwas, was er selbst für lächerlich hielt: Er zog die Pistole, die er ständig bei sich trug, die zu tragen er natürlich berechtigt war, die jedoch zu zücken er so selten wie ungerne tat. Weil das Zücken von Pistolen ihm als theatralisch, ja burlesk erschien. So, als wollte er eine im Kino gesehene Szene nachspielen.
    »Du bleibst hier«, sagte Cheng an Lauscher gerichtet und zeigte mit dem Lauf der Waffe auf die Mitte des kleinen Hinterhofs. Lauscher begriff sofort, tippelte auf jene Mitte zu, sank auf sein Hinterteil und erstarrte.
    Auch wenn Cheng sich also in den Zustand der Bewaffnung begeben hatte, hielt er es für unratsam, eine Art von Angriff vorzunehmen. Er wollte niemanden erschrecken und dadurch zu einer überstürzten Handlung provozieren. Weshalb er mit dem Lauf der Pistole gegen die Tür klopfte, einen Weile wartete und schließlich rief, er sei bewaffnet, habe jedoch keineswegs vor zu schießen und würde jetzt eintreten.
    Mit dem Pistolenlauf drückte er die Klinke herunter und stieß die Tür mit der Fußspitze vorsichtig an, so daß ein genügend breiter Spalt entstand. Er bewegte sich mit äußerster Vorsicht, um nicht etwa die Kugel oder den Schlag von jemand einzufangen, der noch weit nervöser war als er selbst.
    In der Werkstatt war niemand zu sehen. Doch Cheng bemerkte gleich, daß man in seinen Sachen gestöbert hatte, allerdings ohne eine Unordnung zu schaffen, die nicht schon bestanden hätte. Wenn also noch jemand hier war, dann mußte er sich im vorderen, zur Straße gelegenen Raum aufhalten. Dort, wo auch der Heilige Georg und sein Drache in der hoffentlich noch immer unbeschädigten Glasvitrine aufgestellt waren.
    Das mit der Vitrine ging okay. Das Büro war intakt geblieben. Allerdings saßen in den beiden bequemen Stühlen, die eigentlich für Kunden gedacht waren, zwei ungebetene Gäste. Keine Diebe, aber auch keine Freunde.
    Cheng steckte seine Waffe ein, wirkte jetzt beinahe gelangweilt, drehte sich kurz um und rief nach Lauscher.
    »Mein Hund«, sagte er zur Erklärung, wobei er sich an den älteren Mann wandte. Den Mann, der hier der Chef war: Hauptkommissar Rosenblüt.
    »Nett, daß Sie Ihren Hund nicht vorgeschickt haben«, meinte der Kriminalist mit einem Lächeln, das eine widerwärtige Krümmung besaß.
    »Ich opfere keine Haustiere.« Damit setzte sich Cheng hinter seinen Schreibtisch, legte

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