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Ein sueßer Kuss als Antwort

Ein sueßer Kuss als Antwort

Titel: Ein sueßer Kuss als Antwort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dickson
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deponieren. Mich schaudert bei dem Gedanken, welcher Unbill das Kind ausgesetzt sein mag – ich muss es da herausholen.“
    „Und … und Sie sind sicher, dass Ihr Bruder der leibliche Vater ist?“
    „Zweifelsfrei. Ich konnte Stephens Kammerdiener und Maxines Zofe ausfindig machen. Beide bestätigten Maxines … Zustand. Auch Stephen wusste davon. Anscheinend freute er sich sogar darauf, Vater zu werden. Doch dann starb er, einige Monate vor Alice’ Geburt.“
    „Was für eine tragische Geschichte“, sagte Eve leise. „Aber wir sollten uns jetzt besser auf den Weg machen.“
    „Richtig. Kommen Sie, lassen Sie uns aufbrechen!“
    Bald hatten sie die vornehmeren Wohngegenden verlassen und erreichten St. Giles. Der Stadtteil war berüchtigt und gefürchtet wegen seiner Bewohner, die man als den Abschaum Londons betrachtete.
    Am Eingang einer schmalen, verwinkelten Straße befahl Lucas dem Kutscher, auf sie zu warten. Eve schlug das Herz bis zum Hals, als sie dem Gewirr der mit Unrat übersäten Gassen folgten und sich einen Weg zwischen hoch beladenen Handkarren und durch das Gewimmel von Menschen und Tieren bahnten.
    Zwar hatte Lucas sie gewarnt, dennoch war Eve nicht auf einen Anblick wie diesen vorbereitet gewesen. Dreck und Abfall, wohin man sah. Ein übler Geruch lag über allem. Männer und Frauen liefen barfuß und waren in Lumpen gehüllt, und schmutzige, schlecht ernährte Kinder spielten in der stinkenden Gosse.
    Obwohl Eve ihre ältesten Sachen trug und auch Lucas versucht hatte, sich möglichst unauffällig zu kleiden, stachen sie aus der Menge hervor, als wären sie in Samt und Seide gewandet. Misstrauische und feindselige Blicke folgten ihnen, während sie durch die Gassen eilten.
    Einmal blieben sie stehen, um eine Frau nach der Richtung zu fragen. Die zahnlose Alte deutete auf einen schmalen Durchlass vor ihnen, und mit sinkendem Mut setzten sie ihren Weg fort. Wider Erwarten gelangten sie auf einen Platz, der etwas weniger verwahrlost schien. Eve seufzte erleichtert auf.
    Zielsicher steuerte Lucas auf eines der Häuser zu, die den Platz umstanden, und klopfte energisch an die Eingangstür, die umgehend aufgerissen wurde. Vor ihnen stand eine Frau, die zwar ärmlich, aber ordentlich gekleidet war.
    „Was gibt es?“, erkundigte sie sich unwirsch und maß die Besucher mit einem herausfordernden Blick.
    „Mrs. Unwin?“, fragte Lucas.
    „Ja. Wer sind Sie, und was wollen Sie?“
    Lucas zog drohend die Brauen zusammen, als er einen Schritt auf sie zutrat. „Ich suche ein Kind und habe Anlass zu der Vermutung, dass es sich in Ihrer Obhut befindet.“
    Unwillkürlich wich Mrs. Unwin zurück. „Bei mir sind viele Kinder. Wie ist denn der Name?“
    „Das Mädchen heißt Alice Stainton. Ich komme im Auftrag der Mutter.“
    „Und woher soll ich wissen, dass das stimmt?“ Mrs. Unwin sah mehr als skeptisch drein.
    „Das lassen Sie ruhig meine Sorge sein“, erwiderte Lucas kalt. „Und wenn Sie keinen Ärger mit den Behörden wollen, übergeben Sie mir das Kind. Sofort.“ Seine Stimme enthielt eine deutliche Drohung, und Mrs. Unwin war klug genug, keinen Widerstand zu leisten, als Lucas wortlos an ihr vorbeiging und das Haus betrat.
    Zögernd tat Eve es ihm gleich, nur um im nächsten Moment schockiert innezuhalten. Die Wände des Zimmers, in dem sie stand, waren feucht, der Boden bestand lediglich aus gestampfter Erde. Das Feuer im Herd war zu schwach, um den ganzen Raum zu wärmen. Auf einem alten Holztisch stapelten sich schmutzige Teller, und ein paar Obstkisten dienten als Stühle. Aber am schlimmsten anzusehen waren die Kinder, die den Neuankömmlingen erschrocken ihre schmalen, blassen Gesichter zuwandten.
    „Wo ist das Mädchen?“, fuhr Lucas die Frau an.
    „Da drüben“, erwiderte Mrs. Unwin und deutete in eine Ecke, aus der ein klägliches Wimmern kam. „Die Dame sagte, sie sei in einer schwierigen Situation, käme aber so bald wie möglich wieder – oder würde jemanden schicken, um das Balg abzuholen.“
    „Und das haben Sie ihr geglaubt?“, fragte Lucas grimmig. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, hätte er sich nicht selbst auf die Suche gemacht. Nur allzu oft wurden Kinder wie diese hier absichtlich verstümmelt und dann zum Betteln auf die Straße geschickt.
    Eve beugte sich bereits über eine Kiste. Ein in Lumpen gehülltes winziges Bündel Mensch lag darin. Sie hob das kleine Wesen hoch und wickelte es in den Schal, den sie in weiser Voraussicht

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