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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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damit gerechnet, dass Leo Scherer noch bei seiner Mutter wohnt.»
    «Womit dann?», fragte ich, bekam darauf aber keine Antwort. Sie griff nach dem Stadtplan und kommandierte:
    «Jetzt fahren wir nach Köln-Sülz. Da habe ich bestimmt mehr Glück.» Eine gute halbe Stunde später saß ich dann wieder allein im Wagen, diesmal vor einem schäbigen, mehrgeschossigen Altbau, und versuchte noch einmal, aus Uli Hogers Bericht irgendwelche Erkenntnisse über den konkreten Verdacht zu gewinnen, der sich da abzeichnete, wie Hamacher es ausgedrückt hatte, erneut ohne großartigen Erfolg. Diesmal dauerte es im Höchstfall zehn Minuten, bis Candy wieder neben dem Auto erschien und einstieg. Nicht enttäuscht wie in Klettenberg, nur wütend. So wütend, dass sie ihren Gefühlen Luft machen musste und wohl nicht lange überlegte, ob sie ihren vorangegangenen Erzählungen widersprach oder etwas preisgab, was ich nicht wissen sollte. Sie war den Tränen nahe, als sie losschimpfte:
    «Der spinnt doch. Bei ihm hätte nie ein Mann gewohnt, behauptete er.» Gemeint war offensichtlich der Vermieter. Sie schniefte an den zurückgehaltenen Tränen, verzog kurz das Gesicht. Es sollte wohl ein abfälliges Grinsen daraus werden, aber es wirkte wie nackte Verzweiflung und pure Ratlosigkeit. Dann fluchte sie weiter:
    «Immer nur Studentinnen, sagte er. So sah er auch aus. Rausgeworfen hat er mich. Aber er lügt. Ich weiß genau, dass er lügt.» Fehlte nur, dass sie mit dem Fuß aufstampfte.
    «Da hat ein guter Freund meiner Mutter gewohnt. Sie haben sich oft in seiner Wohnung getroffen. In ihrem Zimmer ging das ja nicht.» Sie lachte einmal kurz und gehässig.
    «Keine Männerbesuche, das war die Bedingung für das Zimmer in der Höhle des Löwen. Wenn meine Mutter nachts zur Toilette wollte, musste sie sich immer komplett anziehen. Sie hätte ja dem Sohn des Hauses über den Weg laufen können. Am Ende hätte sie noch seinen Seelenfrieden oder seine Unschuld gefährdet.» Die Begeisterung, mit der sie mir zuvor vom Umzug ihrer Mutter aus der wüsten Wohngemeinschaft in das Zimmer beim Löwen Leo erzählt hatte, war restlos verklungen. Jetzt war sie nur noch wütend, schimpfte abwechselnd auf Leo Scherer, auf dessen Mutter und den noch namenlosen Vermieter in Köln-Sülz, dieses verlogene Subjekt, das all ihre Hoffnungen zunichte gemacht hatte. Welche Hoffnungen? Das fragte ich mich wohl, während wir zurück nach Mülheim fuhren, Auskünfte von ihr bekam ich keine mehr. Nachdem sie genug geschimpft hatte, verfiel sie in dumpfes Brüten. Ihr Schweigen bot mir Gelegenheit und Muße, die Gedanken schön breit auszuwalzen.

    «Ich will nämlich ein paar Freunde meiner Mutter besuchen.» Und nach zwei Adressen war sie anscheinend mit ihrem Latein bereits am Ende. Nun gut, zwei waren auch ein Paar. Aber so wie es aussah, hatte sie nur die beiden Adressen gekannt.
    «Leo Scherer, der Löwe Leo, darauf hätte ich auch von selbst kommen können.» Das hatte sie erst gesagt, als sie aus dem Einfamilienhaus in Klettenberg zurückgekommen war. Und jetzt:
    «Da hat ein guter Freund meiner Mutter gewohnt.» Kein Name. Und es war doch wohl so, dass Mütter, die ihren Töchtern von früher erzählten, auch die Namen ihrer Freunde nannten. Meine Mutter hatte das immer getan, wenn sie meiner Schwester erklärte, um welche Zeit sie in ihrer Jugend daheim hatte sein müssen. Und dass ihr Vater die Uhrzeit nicht nur ihr, sondern vor allem den jungen Männern vorgehalten hatte, die sie eventuell eine halbe Stunde zu spät nach Hause brachten.
    «Einmal bin ich mit dem Fritz auf einem Maifest gewesen. Der Fritz war ein Lieber, aber ein ganz Schüchterner, und als dein Großvater die Tür aufriss und mit seinem Vortrag begann, na ja, mit Fritz bin ich danach nicht mehr ausgegangen.» Sollte Candys Mutter nie solche Geschichten erzählt haben? Oder kannte Candy zumindest die Vornamen und wollte mich nur nicht an ihrer Weisheit teilhaben lassen? Wie auch immer, plötzlich erschien mir die kleine Vorsilbe be so überflüssig. Ich begann zu ahnen, warum sie klammheimlich aus Augsburg verschwunden war und Tante Gertrud gestern Abend mit ihrem Aufenthaltsort beschwindelt hatte. Und ich fragte mich, wie Mami und Dad wohl reagierten, sollten sie erfahren, dass ihr Töchterlein sich hinter ihrem Rücken aufgemacht hatte, um in Mamis Vergangenheit zu stöbern. Gegen elf waren wir wieder in meiner Wohnung. Ich brachte Aktenkoffer und Leitz-Ordner ins Schlafzimmer. Candy ging

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