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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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ins Wohnzimmer, setzte sich auf die große Couch neben dem Beistelltisch mit dem Telefon, betrachtete mit ratloser Miene ihre Reisetasche und den Rucksack. Beides stand noch neben der Tür zur Diele. Ein ellenlanger Seufzer, als ich den Raum betrat, dann hob sie den Blick.
    «Jetzt sollte ich mich wohl verabschieden. Mit welcher Linie komme ich denn von hier aus zum Bahnhof?» Im ersten Augenblick dachte ich, sie wolle Köln jetzt den Rücken kehren, und war beinahe enttäuscht.
    «Ich kann dich hinbringen», bot ich an.
    «Ich weiß allerdings nicht, wann der nächste Zug nach Paris fährt.» Sie schaute mich verständnislos an.
    «Was soll ich denn da?»
    «Ich denke, du willst in die Normandie.» Sie lachte kurz und verlegen.
    «Sie meinen, wegen meiner Tante? Das habe ich doch nur gesagt, damit die sich zu Hause keine Sorgen machen. Was, glauben Sie, wäre bei uns los, wenn ich gesagt hätte, dass ich bei einem Mann übernachte, den ich im Zug getroffen habe und gar nicht kenne?» Ein Kopfschütteln, das mir klar machen sollte, der Teufel persönlich wäre los. Ich konnte mir die Frage nicht verkneifen:
    «Und was wäre los, wenn deine Mutter erfährt, dass du hier bist, um ihre alten Freunde zu – besuchen?» Ich ließ mit Absicht eine Pause und legte auch eine besondere Betonung auf die Vorsilbe be, die Candy sehr wohl registrierte. Sie ließ ein paar Sekunden verstreichen, schaute mir während dieser Zeit jedoch mit erstauntem Ausdruck ins Gesicht, als wolle sie mir allein schon mit ihrer Miene klar machen, das sei ja wohl eine selbstverständliche Angelegenheit. Dann zuckte sie mit den Achseln und lächelte harmlos. Ihre Stimme und die Wortwahl ließen sich jedoch absolut nicht mit diesem Lächeln vereinbaren. Sie klang ziemlich patzig:
    «Ist doch meine Sache, oder? Ich bleibe auf jeden Fall noch ein paar Tage. Zur Uni kann ich erst am Montag. Da sind bestimmt noch Professoren, bei denen meine Mutter studiert hat.»
    «Und warum ist das so wichtig für dich?», fragte ich.
    «Was ist denn so außergewöhnlich an deiner Mutter? Du wandelst auf ihren Fährten wie die Jünger auf denen des Herrn.» Candy strich mit beiden Händen gleichzeitig durch ihr Haar, schob die Unterlippe vor und wirkte mit einem Mal sehr trotzig.
    «Ich wollte mir einfach mal ansehen, wie und wo sie früher gelebt hat und mit wem sie befreundet war. Das interessiert mich eben, ist doch normal, oder? Haben Sie Ihre Mutter nicht lieb?» Ich hatte ein herzliches Verhältnis zu meiner Mutter, jedenfalls nahm ich an, dass es herzlich war, sonst hätte sie mir bestimmt nicht die Wohnung geputzt und meine Wäsche gewaschen. Sie nahm kein Geld dafür. Ich revanchierte mich auf andere Weise. Mal ein neuer Wintermantel oder ein schickes Kleid, mal ein teures Parfüm oder eine Handtasche, die sie sich vom Lohn meines Vaters nicht hätte leisten können. Ich freute mich, wenn sie sich freute. Ich war zufrieden, wenn ich sah, dass es ihr gut ging. Und ich fand, Liebe und Neugier wären zwei Paar Stiefel. Mir wäre jedenfalls nicht der Gedanke gekommen, in ihrer Jugend herumzuschnüffeln. Aber ich kam nicht dazu, es Candy zu erklären. Es war nur eine rhetorische Frage gewesen. Sie hatte mir zwar schon viel erzählt, aber noch längst nicht alles. Ihre Mutter war eine Frau, wie es keine zweite gab. Zweiundvierzig Jahre alt, im September würde sie ihren nächsten Geburtstag feiern. Aufgeschlossen war sie, verständnisvoll, liebevoll, zärtlich, immer da, wenn man sie brauchte. Ich hörte mir ein paar harmlose Begebenheiten an, bei denen diese Mutter zu einem Raubtier geworden war, um Candys Haut unversehrt aus heiklen Situationen zu retten oder dem Töchterlein Steine aus dem Weg zu räumen. Da war zum Beispiel in Philadelphia so ein widerlicher Nachbarsjunge gewesen, der Candy nicht in Ruhe ließ, bis ihre Mutter dem Rüpel seine Grenzen zeigte. Oder die Feriencamps, die Candy auf den Tod nicht ausstehen konnte. Davon hatte sie mir ja schon erzählt. Da genügte ein Anruf, ihre Mutter kam, holte sie ab und sorgte anschließend dafür, dass sie mit Dad und seiner Crew das weite Meer erforschen durfte, auch wenn dafür eigens ein Hubschrauber angemietet werden musste, weil Dad seine Arbeit vor Neufundland oder sonst wo nicht so einfach unterbrechen konnte, um Candy abzuholen. Oder im Abitur, wenn Candy vor lauter Prüfungsangst nicht einschlafen konnte, dann hatte ihre Mutter auf der Bettkante gesessen und immer das Zauberwort gefunden, das alle

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