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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Begleitung nicht von der Stelle zu rühren. Unser Schützling jedoch war eine rechte Frohnatur, der die Sorgen der Konzernleitung und seiner Familie für maßlos überzogen hielt. Er konnte sich gar nicht vorstellen, dass ihn jemand aus der Welt räumen wollte. Quer durchs Münchner Nachtleben hatte er uns gescheucht und tagsüber aus dem 2 Kongressraum von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten. Überall traf er gute Bekannte. Da hatten wir uns in entsprechender Entfernung zu halten, weil es ihm peinlich war, gleich zwei Leibwächter an den Fersen zu haben, wo andere, viel wichtigere Leute nicht mal einen hatten. Blut und Wasser hatten wir jedes Mal geschwitzt, dass wir etwas übersehen könnten. Mehr als einmal hatte er auch versucht, uns zu entwischen, sich schon in der ersten Nacht unbemerkt aus dem Hotelzimmer schleichen wollen. Doch seine Frau hatte uns vorgewarnt, sodass wir wohl oder übel nachts vor seiner Tür abwechselnd Wache schoben. Nun befand sich dieser agile Mensch, der offenbar niemals müde wurde, auf dem Heimflug – mit Hartmut Bender an seiner Seite. Es hatte nur einer von uns fliegen können, weil wir zwei Schusswaffen mitführten und damit nicht in die Maschine steigen durften. Aus dem Grund war ich auch schon mit dem Zug und den Schießeisen im Gepäck vorausgefahren. Um der Gerechtigkeit willen hätten wir für den Rückweg tauschen können. Großartig gelost oder ausdiskutiert, wer von uns schneller daheim sein durfte, hatten wir jedoch nicht. Hartmut Bender war zwanzig Jahre älter als ich. Und er war verheiratet – schon zum dritten Mal. Jetzt war er zum ersten Mal Vater geworden, zwei Monate früher als erwartet. Das hatte er am Mittwochabend in München erfahren, seitdem war er ein bisschen aus dem Häuschen und verständlicherweise bestrebt, schnellstmöglich an das Bett seiner Frau zu gelangen und sich zu überzeugen, dass es dem winzigen, leichtgewichtigen Töchterchen wirklich den Umständen entsprechend gut ging. Und ich fuhr gerne mit dem Zug. Man hatte entschieden mehr Platz als im Flieger, konnte die Beine ausstrecken, sich mal die Füße vertreten, genüsslich Kaffee oder sonst etwas trinken, und niemand kam, um eine halbe Stunde vor der Einfahrt in einen Bahnhof die Becher wieder einzusammeln. Also hatte ich kommentarlos die beiden Berettas und eine nicht mehr ganz volle und von häufigen Transporten leicht lädierte Schachtel Munition – Kaliber mm, wenn schon, denn schon – in meine Reisetasche gepackt, Hartmut Bender und den wibbeligen Chemiker zum Flughafen gefahren, den Mietwagen zurückgegeben und mich von einem Taxi zum Münchner Hauptbahnhof bringen lassen. Ich war rechtschaffen müde und freute mich auf ein paar erholsame Tage. Bis einschließlich des kommenden Mittwochs hatte ich nämlich Urlaub.
     Bis Augsburg saß ich allein im Abteil und versuchte, ein bisschen zu dösen, was mir nicht gelang, weil es auf dem Gang zu laut war. Nebenan hatte sich eine Gruppe junger Leute niedergelassen, Studenten vermutlich. Es waren so viele, dass sie nicht alle in einem Abteil Platz gefunden hatten. Einige drückten sich um die Tür und auf dem Gang herum und beteiligten sich von dort aus lebhaft an der Unterhaltung. Ich schaute die meiste Zeit aus dem Fenster, einfach nur so, ohne an etwas Bestimmtes zu denken. Und im Augsburger Bahnhof sah ich sie dann. Sie fiel schon deshalb auf, weil sie über einer weit geschnittenen Blousonjacke ein Monstrum von Rucksack auf dem Rücken trug, auf dem in abenteuerlicher Weise mit Lederriemen ein zusammengerollter Schlafsack befestigt war. Zusätzlich schleppte sie vor den Knien eine prall gefüllte Reisetasche aus geblümtem Gobelin-Stoff, die ziemlich antiquiert und geflickt aussah. Mit beiden Händen hielt sie die Tasche fest und behinderte sich damit. Von ihrer linken Schulter baumelte noch ein winziges rotes Täschchen am Riemen, der ständig herunterrutschte und mit Schulterzuckungen in seiner Position gehalten wurde. Ich sah sie nur ein paar Sekunden lang auf dem Bahnsteig. Als der Zug zum Stehen kam, verschwand sie aus meinem Blickfeld, um kurz darauf vor der Tür meines Abteils wieder aufzutauchen. – Candy. Um so etwas wie sie machte ich normalerweise einen weiten Bogen. Ein reizendes Persönchen, wobei die Betonung auf dem Wort reizend liegt. Sie konnte einen Menschen innerhalb von Sekunden in ein Fragezeichen verwandeln, zur Weißglut oder in die Flucht treiben. Gleichzeitig war sie die Sanftmut und Naivität in Person. Typ

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