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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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ist Sylvia.«
    Trotz des Knackens hörte sie, wie seine Stimme sich veränderte. »Oh, Sylvia, Liebling, wo bist du denn?«
    »Ich habe an dich gedacht, Andrew.«
    Sie hatte an ihn gedacht, weil sie seine beruhigende, selbstsichere Stimme brauchte, aber dieses ferne Gespenst vermittelte ihr ein ungutes Gefühl, wie eine Nachricht, dass er wenig für sie tun konnte. Aber was hatte sie erwartet?
    »Ich dachte, du bist in Simlia!«, schrie er.
    »Nächste Woche. Ach, Andrew, ich fühle mich, als müsste ich von einer Klippe springen.«
    Sie hatte von Pater Kevin McGuire von der St. Luke’s Mission einen Brief bekommen, der sie zwang, fest in eine Zukunft zu blicken, die sie sich bis zu diesem Moment noch gar nicht vorgestellt hatte. Dem Brief lag eine Liste der Dinge bei, die sie mitbringen musste. Eine medizinische Ausstattung, die sie für selbstverständlich gehalten hatte, so grundlegende Dinge wie Spritzen, Aspirin, Antibiotika, Antiseptika, Nadeln, ein Stethoskop und derlei Dinge mehr. »Und gewisse Utensilien, die Damen brauchen, denn die bekommt man hier nicht so leicht.« Nagelscheren, Stricknadeln, Häkelnadeln, Strickwolle. »Und tun Sie einem alten Mann einen Gefallen, der so gerne Oxford-Marmelade isst.« Batterien für ein Radio. Ein kleines Radio. Einen guten Pullover, Größe 10 , für Rebecca. »Das ist das Hausmädchen. Sie hat Husten.« Eine neuere Ausgabe der
Irish Times
. Eine vom
Observer
. Ein paar Büchsen Sardinen. »Wenn Sie sie irgendwo unterbringen können.« Grüße, Kevin McGuire. » PS : Und vergessen Sie die Bücher nicht. So viele wie möglich. Sie werden hier gebraucht.«
    »Es ging da unten im Busch ein bisschen heftig zu«, hatte man ihr gesagt.
    »Andrew, ich bin in Panik – glaube ich.«
    »Es ist gar nicht schlimm. Nairobi ist ganz o.k. Ein bisschen baufällig.«
    »Ich bin dort hundert Meilen von Senga weg.«
    »Hör mal, Sylvia, ich schaue auf dem Rückweg in London vorbei und besuche dich.«
    »Was machst du denn da?«
    »Großzügig austeilen.«
    »Ach ja, das habe ich gehört. Global Money.«
    »Ich finanziere einen Staudamm, ein Silo, ein Bewässerungsprojekt … was du willst.«
    »Du?«
    »Ich schwinge meinen Zauberstab, und die Wüste blüht.«
    Also war er betrunken. Nichts hätte schlimmer für Sylvia sein können als dieses Angebergeschrei aus dem Äther. Andrew, ihre Stütze, ihr Freund, ihr Bruder – beinahe jedenfalls –, war so albern, so schäbig. Sie schrie »Mach’s gut!« und legte den Hörer auf und weinte. Das war ihr schlimmster Moment: einen so schlimmen sollte sie nie wieder erleben. Weil sie glaubte, dass Andrew ihr Gespräch vergessen hatte, rechnete sie nicht mit ihm, aber zwei Tage später rief er von Heathrow aus an. »Jetzt bin ich da, kleine Sylvia. Wo können wir hingehen und reden?«
    Dann rief er Julia vom Flughafen aus an und fragte, ob er und Sylvia in ihr Haus kommen und sich dort in Ruhe unterhalten könnten. Seine Wohnung war vermietet, und Sylvia teilte sich mit einer anderen Ärztin eine winzige Wohnung in der Nähe ihres Krankenhauses.
    Julia schwieg und sagte dann: »Ich glaube, ich verstehe nicht recht. Du fragst, ob ihr in dieses Haus kommen dürft, Sylvia und du? Was sagst du da?«
    »Es wäre dir bestimmt nicht recht, wenn das selbstverständlich für uns wäre.«
    Schweigen. »Du hast doch noch einen Schlüssel, oder?« Und sie legte auf.
    Als die beiden kamen, gingen sie direkt hinauf zu ihr. Julia saß allein und streng an ihrem Tisch, auf dem eine Patience ausgebreitet war. Sie hielt Andrew eine Wange hin und versuchte auch Sylvia so zu empfangen, aber sie hielt es nicht durch und stand auf, um die junge Frau zu umarmen.
    »Ich dachte, du wärst nach Simlia abgereist«, sagte Julia.
    »Ich gehe doch nicht, ohne mich zu verabschieden.«
    »Ist das der Abschied?«
    »Nein, nächste Woche.«
    Die alten, scharfen Augen sahen die beiden lange prüfend an. Julia wollte sagen, dass Sylvia zu dünn war und dass Andrew einen Ausdruck an sich hatte, der ihr nicht gefiel. Was war das?
    »Geht und sprecht miteinander«, befahl sie und nahm ihr Blatt wieder auf.
    Sie schlichen schuldbewusst in das große Wohnzimmer, das voller Erinnerungen war, und zu dem roten Sofa, wo sie sich in die Arme sanken.
    »Ach, Andrew, bei dir fühle ich mich wohler als bei allen anderen Leuten.«
    »Und ich bei dir.«
    »Und was ist mit Sophie?«
    Ein wütendes Lachen. »
Wohl fühlen!
 – Es ist vorbei.«
    »Ach, armer Andrew. Ist sie wieder bei

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