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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Roland?«
    »Er hat ihr einen schönen Blumenstrauß geschickt, und sie ist prompt zu ihm zurückgekehrt.«
    »Was genau?«
    »Ringelblumen – für Kummer. Anemonen – für Verlassensein. Und natürlich ungefähr tausend rote Rosen. Für Liebe. Ja, er muss es nur mit Blumen sagen. Aber es hat nicht gehalten. Er hat sich bald wieder so benommen, wie er eben ist, und daraufhin hat sie ihm einen Strauß geschickt: Disteln – für Krieg.«
    »Ist sie mit jemandem zusammen?«
    »Ja, aber wir wissen nicht, mit wem.«
    »Arme Sophie.«
    »Und vor allem arme Sylvia. Warum hört man nichts von dir und einem Kerl, der ein Schweineglück hat?«
    Sie wäre am liebsten zurückgewichen, aber er hielt sie fest.
    »Ich habe einfach – Pech.«
    »Bist du verliebt in Pater Jack?«
    Jetzt setzte sie sich auf und schob ihn weg. »Nein, wie kannst du …«, aber als sie sein verständnisvolles Gesicht sah, sagte sie: »Ja, war ich.«
    »Nonnen sind immer in ihre Priester verliebt«, murmelte er. Sie wusste nicht, ob er grausam sein wollte.
    »Ich bin keine Nonne.«
    »Komm wieder her.« Und er zog sie an sich.
    Und jetzt sagte sie mit einer winzigen Stimme, die er noch von der kleinen Sylvia kannte: »Ich glaube, etwas stimmt nicht mit mir. Ich bin mit jemandem ins Bett gegangen, mit einem Arzt aus dem Krankenhaus, und … das ist das Problem, Andrew, weißt du. Sex gefällt mir nicht.« Und sie schluchzte, während er sie festhielt.
    »Also, ich glaube, ich bin auf dem Gebiet nicht übermäßig talentiert. Sophie hat sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ich im Vergleich zu Roland ein hoffnungsloser Fall bin.«
    »Ach, armer Andrew.«
    »Und arme Sylvia.«
    Sie weinten sich in den Schlaf wie Kinder.
    Während sie schliefen, bekamen sie Besuch, zuerst von Colin, dem die Unruhe des Hündchens sagte, dass jemand im Haus war, der dort nicht hingehörte. Das Zimmer lag im Zwielicht. Colin stand eine Weile da und sah die beiden an und hielt dem Hund die Kiefer zusammen, damit er nicht bellte.
    Als er die Treppe hinunterging, sagte er zu Vicious, der jetzt ein schäbiger alter Hund war: »Du bist ein gutes kleines Tierchen.«
    Später kam Frances herein. Im Zimmer war es jetzt dunkel, und sie knipste eine winzige Lampe an, die früher Sylvias Nachtlicht gewesen war, weil sie sich vor der Dunkelheit fürchtete. Wie Colin schaute sie auf das hinab, was zu sehen war, nur Köpfe und Gesichter. Sylvia und Andrew – oh nein, nein, dachte Frances wie eine Mutter und kreuzte gleichsam die Finger, um Böses abzuwenden. Das wäre eine Katastrophe. Beide brauchten doch etwas Robusteres – oder? Wann würden ihre Söhne sich bloß festlegen und in Sicherheit sein? (
In Sicherheit?
Sie dachte wirklich wie eine Mutter, offenbar ließ sich das nicht vermeiden.) Beide waren sie weit über dreißig. Alles unsere Schuld … dachte sie und meinte sie alle, die ältere Generation. Dann dachte sie, um sich zu trösten: Vielleicht brauchen sie so lange, wie ich gebraucht habe, um glücklich zu sein. Also darf ich die Hoffnung nicht aufgeben.
    Noch viel später kam Julia die Treppe herunter. Sie glaubte, es wäre niemand im Zimmer, obwohl Frances ihr gesagt hatte, dass die beiden noch da seien und völlig aus der Welt. Dann sah sie im Schimmer der winzigen Lampe ihre Gesichter, Sylvias unterhalb von Andrews, an seiner Schulter. So blass, so müde – das war sogar in diesem Licht zu sehen. Um sie herum lag tiefes Schwarz, denn das rote Sofa machte die Dunkelheit intensiver, als hätte ein Maler scharlachrote Grundierung benutzt, um das Schwarz glühen zu lassen. An beiden Enden des großen Zimmers ließen die Fenster gerade so viel Licht herein, dass das Dunkel dort grau wirkte, mehr nicht. Es war eine bewölkte Nacht ohne Mond und Sterne. Julia dachte: Sie sind wirklich zu jung, um so auszusehen, so erschöpft. Die beiden Gesichter waren wie Asche, über die Dunkelheit verstreut.
    Sie stand lange da, blickte auf Sylvia hinab und prägte sich ihr Gesicht ein. Und Julia sah sie tatsächlich nicht wieder. Es gab irgendein Durcheinander wegen der Abflugzeit, und Sylvia rief an: »Julia, ach, Julia, es tut mir so leid. Aber ich bin sicher bald wieder in London.«
     
    Wilhelm starb. Zur Beerdigung kamen mehrere hundert Personen. Offenbar war jeder gekommen, der im Cosmo einmal eine Tasse Kaffee getrunken hatte, hieß es. Colin und Andrew standen bei Frances, und sie stützten Julia, die stumm war und keine Tränen hatte und aussah wie aus Papier

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