Ein süßer Traum (German Edition)
dann immer schlechter wurden, bis der Wagen nach ungefähr einer Stunde vor einer Ansammlung von Gebäuden hielt, die offenbar zu einer Farm gehörten. Dort lud Molly Sylvia und ihre Koffer aus und sagte: »Ich verlasse Sie hier. Und lassen Sie sich von Kevin McGuire nicht herumschubsen. Er ist ein Herzchen, ich will gar nichts anderes sagen, aber diese altmodischen Priester sind alle gleich.« Sie holperte davon und winkte Sylvia und anderen zu, die vielleicht hinsahen.
Gleich darauf wurde Sylvia zum Morgentee bei Edna Pyne eingeladen, über deren Tonfall voller gänzlich fremder Vokale ein Hauch von Selbstmitleid lag, den Sylvia nur zu gut kannte. Das ältliche Gesicht sah unzufrieden aus. Cedric Pyne hatte lange, verbrannte Beine und trug die kürzesten Shorts, die Sylvia je gesehen hatte, und wie seine Frau hatte er blaue Augen, die gerötet waren. Außerhalb der Veranda, auf der sie saßen, war das Licht so gleißend, dass Sylvia den Blick auf das Paar gerichtet hielt, um das grelle Gelb zu meiden, sodass sie bei ihrem ersten Besuch wirklich nichts anderes sah als die Pynes. Es gehörte offenbar zum normalen Verkehr, Leute und Sachen bei den Pynes abzuladen, denn als sie wieder im Wagen saßen, diesmal in einem Jeep, lagen dort auch Zeitungsbündel und Briefe für Pater McGuire, und auf der Rückbank saßen zwei junge Schwarze, von denen einer sehr krank war, wie Sylvia sofort sah. »Ich fahre zum Krankenhaus«, sagte der Kranke, und Sylvia sagte: »Ich auch.« Sie saß vorne neben Cedric, der wie Schwester Molly fuhr, als ginge es um eine Wette. Sie holperten ungefähr fünfzehn Kilometer weit über eine Sandstraße und blieben dann zwischen staubigen Bäumen stehen. Vor ihnen lag ein niedriges, mit Wellblech gedecktes Gebäude, und dahinter duckten sich auf einem Hügelkamm verstreut noch mehr Gebäude unter noch mehr Bäumen.
»Richten Sie Kevin aus, dass ich nicht warten kann«, sagte Cedric Pyne. »Kommen Sie uns jederzeit besuchen.« Und dann war er in einer Wolke aus Staub verschwunden. Sylvia hatte Kopfschmerzen. Sie dachte daran, dass sie in ihrem Leben kaum aus London herausgekommen war und dass sie das bisher als ziemlich normal empfunden hatte und gar nicht als Mangel, obwohl es möglicherweise einer war. Die beiden jungen schwarzen Männer gingen zum Krankenhaus und sagten: »Man sieht sich irgendwann.« Das klang ziemlich entspannt, aber das Gesicht des Kranken machte deutlich, dass schnell gehandelt werden musste.
Sylvia trat mit ihren Koffern auf eine winzige Veranda aus glänzendem grünem Beton und weiter in ein ziemlich kleines Zimmer. Das Mobiliar bestand aus einem Tisch aus gebeizten Brettern, Stühlen mit Sitzen aus Lederstreifen, Bücherregalen, die eine ganze Wand einnahmen, und ein paar Bildern: alle waren Abbildungen von Jesus, nur eines war eine neblige Ansicht der Mountains of Mourne bei Sonnenuntergang.
Eine dünne, kleine, schwarze Frau erschien, strahlte freundlich und sagte, sie sei Rebecca und sie werde Sylvia ihr Zimmer zeigen.
Ihr Zimmer lag hinter dem Hauptraum und war groß genug für ein schmales Eisenbett, einen kleinen Tisch, ein paar harte Stühle und ein paar Wandregale für Bücher. An den Wänden gab es Nägel mit Bügeln für ihre Kleider. Eine kleine Kommode wie die, die es früher einmal in jedem englischen Hotel gegeben hatte, war hier gestrandet. Über ihrem Bett hing ein kleines Kruzifix. Die Wände und der Boden waren aus Ziegeln, und die Decke bestand aus gespaltenem Rohr. Rebecca ließ sie allein, um ihr Tee zu bringen, Sylvia sank auf einen Stuhl; ein Gefühl hatte sie gepackt, das sie nicht einordnen konnte. Ja, neue Eindrücke: ja, die hatte sie erwartet. Sie hatte gewusst, dass sie sich fremd fühlen würde, fehl am Platz. Aber was war das? – Wellen bitterer Leere brachen über sie herein, und als sie das Kruzifix ansah, um sich zu sammeln, empfand sie nur, dass Christus sicher selbst überrascht war, sich hier wiederzufinden. Aber es überraschte sie – Sylvia – doch nicht, dass Christus an einem Ort war, an dem solche Armut herrschte? Was war es dann? Draußen gurrten die Tauben, und die Hühner gackerten unentwegt. Ich bin eben ein verwöhntes Gör, sagte Sylvia zu sich – das Wort tauchte von irgendwoher tief aus ihrer Kindheit auf. Westminster Cathedral – ja; eine Hütte aus Ziegeln – nein, offenbar. Staub wehte am Fenster vorbei. Wenn man vom äußeren Anschein ausging, konnte das Haus nicht mehr als drei oder vier Zimmer haben.
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