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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Wo war Pater McGuires Zimmer? Wo schlief Rebecca? Sie verstand gar nichts, und als Rebecca den Tee brachte, sagte Sylvia, sie habe Kopfschmerzen und werde sich hinlegen.
    »Ja, Doktor, legen Sie sich hin, es geht Ihnen bald besser«, sagte Rebecca, und man konnte sehen, dass ihre Fröhlichkeit eine christliche war: Die Kinder Gottes lächeln und sind auf alles gefasst. (Wie Blumenkinder.) Rebecca zog die Vorhänge aus schwarz-weißem Matratzendrell zu, und Sylvia dachte, dass sie in bestimmten Kreisen in London der letzte Schrei sein würden. »Ich rufe Sie zum Mittagessen.«
    Mittagessen. Sylvia hatte das Gefühl, dass es Abend war, denn der Tag zog sich schon so lange hin. Es war gerade erst elf.
    Sie legte sich mit der Hand über den Augen hin, sah, wie sich ihre dünnen Finger vor dem Licht abzeichneten, schlief ein und wurde eine halbe Stunde später von Rebecca geweckt, die wieder Tee brachte und eine Entschuldigung von Pater McGuire. Er sei in der Schule aufgehalten worden und werde sie beim Mittagessen sehen, und er schlage vor, dass sie bis morgen alles ruhig angehen solle.
    Als Rebecca diesen Ratschlag überbracht hatte, merkte sie an, dass der Patient von der Farm der Pynes auf die Ärztin warte, und andere Leute auch, und ob die Ärztin vielleicht … Sylvia zog einen weißen Overall an. Rebecca schien ihr nur dabei zuzusehen, aber so, dass Sylvia fragte: »Was soll ich sonst anziehen?« Rebecca merkte an, dass der Overall nicht lange weiß bleiben werde und ob die Ärztin vielleicht ein altes Kleid zum Anziehen habe.
    Sylvia trug keine Kleider. Für die Reise hatte sie ihre ältesten Jeans angezogen. Sie band ihre Haare mit einem Schal zurück und sah mit einem Mal aus wie Rebecca mit ihrem Kopftuch. Sie ging den Pfad entlang, den Rebecca ihr zeigte, die sich dann in ihre Küche zurückzog. An dem staubigen Pfad wuchsen Hibiskus, Oleander, Bleiwurz. Staubig, wie sie waren, wirkten die Pflanzen dennoch so, als stünden sie genau am richtigen Fleck in der trockenen Hitze und unter einem Himmel, an dem es keine Wolke gab. Der Pfad wand sich einen felsigen Abhang hinunter, und vor ihr sah sie ein paar Grasdächer auf Stützpfeilern, die in rötlicher Erde steckten, und einen Schuppen, dessen Tür halb offen stand. Eine Henne kam heraus. Andere Hühner lagen unter Büschen auf der Seite und schnappten mit offenen Schnäbeln nach Luft. Die beiden jungen Männer, die auf dem Rücksitz des Wagens gesessen hatten, saßen jetzt unter einem großen Baum. Einer stand auf und sagte: »Mein Freund ist krank. Er ist sehr krank.«
    Das konnte Sylvia sehen. »Wo ist das Krankenhaus?«
    »Hier ist das Krankenhaus.«
    Jetzt bemerkte Sylvia, dass unter Bäumen und Büschen und unter den Schutzdächern aus Gras Menschen lagen. Manche waren verkrüppelt.
    »Eine lange Zeit ohne Arzt«, sagte der junge Mann. »Aber jetzt haben wir wieder eine Ärztin.«
    »Was ist mit dem Arzt passiert?«
    »Er hat viel, viel getrunken. Also hat Pater McGuire gesagt, dass er gehen muss. Also warten wir auf Sie, Doktor.«
    Sylvia blickte sich um, hielt Ausschau nach den Instrumenten, den Medikamenten – ihrem Handwerkszeug – und ging in den Schuppen. Tatsächlich gab es dort drei Regalbretter, und darauf stand eine sehr große Flasche Aspirin – leer. Ein paar Flaschen mit Tabletten gegen Malaria – leer. Ein großer Salbentiegel – ohne Aufschrift und leer. An einem Nagel auf der Rückseite der Tür hing ein Stethoskop. Es funktionierte nicht. Der Freund des kranken Jungen stand neben ihr und lächelte. »Die ganze Medizin ist alle«, sagte er.
    »Wie heißt du?«
    »Aaron.«
    »Bist du nicht von der Farm der Pynes?«
    »Nein, ich wohne hier. Ich wollte bei meinem Freund sein, als wir erfuhren, dass ein Wagen kommt.«
    »Wie bist du denn dahin gekommen?«
    »Zu Fuß.«
    »Aber – das ist doch ziemlich weit, oder?«
    »Nein, nicht so weit.«
    Sie ging mit ihm zurück zu dem kranken Jungen, der schwach und schlapp gewesen war und jetzt heftig zitterte. Sie brauchte kein Stethoskop, um eine Diagnose zu stellen. »Hat er Medikamente eingenommen? Das ist Malaria«, sagte sie.
    »Ja, er hat Medikamente bekommen, von Mr. Pyne, aber die sind jetzt alle.«
    »Erst einmal muss er etwas trinken.«
    Im Schuppen fand sie drei große Plastikkanister mit Schraubdeckel, in denen Wasser war, aber es roch ein bisschen schal. Sie sagte Aaron, er solle dem Kranken Wasser bringen. Nirgendwo gab es eine Tasse, einen Becher, ein Glas –

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