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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Und dann sind Sie auch reif für Ihr Bett, egal, was Sie jetzt denken, mit Ihren Londoner Sitten.«
    »Ich bin jetzt schon reif«, sagte Sylvia.
    »Dann sollten Sie ein kleines Schläfchen machen, genau wie ich.«
    »Aber was ist mit den Leuten da unten? Kann ich wenigstens einen Becher haben, um ihnen Wasser zu geben?«
    »Können Sie. Wenigstens das können wir tun. Becher haben wir.«
    Sylvia schlief eine halbe Stunde und wurde von Rebecca mit Tee geweckt. Hatte Rebecca auch geschlafen? Sie lächelte, als Sylvia danach fragte. Hatten Aaron und sein Freund etwas gegessen? Um sie müsse sich Doktor Sylvia keine Sorgen machen, meinte Rebecca lächelnd.
    Sylvia ging wieder zu der Ansammlung von Hütten, Schutzdächern und schattigen Bäumen hinunter, wo die Kranken lagen und warteten. Sehr viel mehr waren gekommen, nachdem sie gehört hatten, dass eine Ärztin da war. Jetzt waren ziemlich viele Verkrüppelte da, denen ein Bein oder ein Arm fehlte, mit alten Wunden, die nie richtig genäht oder gereinigt worden waren. Es waren Verwundete aus dem Krieg, der schließlich erst vor Kurzem zu Ende gegangen war. Sie dachte, dass sie sich zum »Krankenhaus« geschleppt hatten, weil ihr Zustand hier zumindest bestätigt, definiert wurde. Es waren Kriegsversehrte, und sie hatten Anspruch auf Tabletten – auf Schmerzmittel, Aspirin, Salbe, eigentlich auf alles, diese sehr jungen Männer, von denen manche im Grunde noch Kinder waren. Sie waren die Helden des Krieges, und man schuldete ihnen etwas. Aber Sylvia hatte so wenig Tabletten, und sie geizte damit. Also bekamen sie Becher mit Wasser und mitleidige Fragen. »Wie haben Sie das Bein verloren?« »Die Bombe ging los, als ich mich hingesetzt habe.« »Es tut mir sehr leid, das war Pech.« »Ja, das war wirklich Pech.« »Und was ist mit Ihrem Fuß passiert?« »Ein Felsen ist vom
kopje
gefallen, von ganz oben, und dann auf eine Landmine, und ich stand da.« »Es tut mir sehr leid. Das muss sehr wehgetan haben.« »Ja, und ich habe geschrien, und meine Genossen haben gesagt, ich soll still sein, weil der Feind nicht weit weg ist.«
    Spät an diesem Nachmittag, als die gelbe Sonne tief stand, erschien ein sehr großer, sehr dünner Mann, der gebückt ging und ein wütendes Gesicht machte, und er sagte, er sei Joshua und es sei sein Job, ihr zu helfen.
    »Sind Sie Pfleger? Haben Sie eine Ausbildung?«
    »Nein, ich habe keine Ausbildung. Aber ich arbeite hier die ganze Zeit.«
    »Und wo waren Sie die ganze Zeit?«, fragte Sylvia und wollte ihn nicht tadeln, sondern nur eine Auskunft haben.
    Aber er sagte: »Warum soll ich hier sein, wenn kein Arzt da ist?«, und das war unverschämt gemeint, vorsätzlich unverschämt, als würde er sagen:
Du kannst mich mal.
    Er stand unter dem Einfluss von irgendetwas. Nein, kein Alkohol – was dann? Ja, sie roch Marihuana.
    »Was haben Sie geraucht?« »Dagga.« »Wächst das hier?« »Ja, das wächst überall.« »Wenn Sie mit mir arbeiten wollen, können Sie kein Dagga rauchen.«
    Er schwankte mit baumelnden Armen hin und her und knurrte: »Ich hatte nicht vor, heute zu arbeiten.«
    »Wann ist der andere Arzt weggegangen?« »Ist lange her. Schon ein Jahr.« »Was machen die Kranken, wenn es regnet?« »Wenn unter den Dächern kein Platz ist, werden sie nass. Es sind Schwarze, das ist gut genug für sie.« »Aber jetzt habt ihr eine schwarze Regierung, also wird sich etwas ändern.«
    »Ja«, sagte oder knurrte er. »Ja, jetzt wird sich alles ändern, und wir werden auch die guten Sachen haben.«
    »Joshua«, bemerkte sie lächelnd, »wenn wir zusammen arbeiten wollen, sollten wir versuchen, miteinander klarzukommen.«
    Jetzt erschien so etwas wie ein Lächeln. »Ja, das wäre eine gute Sache, wenn wir – klarkommen.«
    »Ich habe den Eindruck, dass Sie mit dem, der weggegangen ist, nicht klargekommen sind. War das eigentlich ein weißer oder ein schwarzer Arzt?«
    »Ein schwarzer Arzt. Na ja, vielleicht kein richtiger Arzt. Und er hat zu viel getrunken. Der war ein
skellum
.« »Ein was?« »Ein schlechter Mensch. Nicht so wie Sie.« »Ich hoffe, dass ich zumindest nicht zu viel trinke.« »Das hoffe ich auch, Doktor.« »Ich heiße Sylvia.« »Doktor Sylvia.«
    Er ging immer noch gebückt und schwankte, und jetzt hatte er ein mürrisches Gesicht aufgesetzt, als hätte er beschlossen: Jetzt muss ich feindselig wirken.
    »Doktor Sylvia geht jetzt hinauf zu Pater McGuire«, sagte sie. »Er hat gesagt, ich soll da sein, wenn es dunkel

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