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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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sein wildes, einsames Elend verstanden hätten – aber was hätten sie tun können? Sie waren sogar beruhigt, was diesen Jungen anging, der sich anpasste und der doch – ganz bestimmt – weniger schwierig sein würde als Margaret?
     
    Sylvia stand in der Ankunftshalle des Flughafens von Senga, in der sich das Gepäckband und die Pass- und Zollkontrolle befanden. Die Leute aus dem Flugzeug konnte man auf einen Blick zwei Gruppen zuordnen: Schwarze in dicken, dreiteiligen Anzügen und Weiße in Jeans und T-Shirts, um deren Hüften die Pullover geknotet waren, in denen sie London verlassen hatten. Die Schwarzen waren ausgelassen und manövrierten Kühlschränke, Öfen, Fernseher und Möbel in vorteilhafte Positionen, um sie dem Zoll mit der Bitte um Zustimmung zu präsentieren. Gewöhnlich bekam man sie, und die Beamten nickten anerkennend und verteilten nur zu gerne großzügig rote Kreidekringel, wenn eine riesige Kiste vor ihnen erschien. Sylvia hatte eine Reisetasche für ihre persönlichen Sachen und zwei große Koffer mit dem medizinischen Material und den Dingen, um die Pater McGuire gebeten hatte – ganze Listen waren in London angekommen, und immer mit der Bemerkung: Fühlen Sie sich nicht verpflichtet, das mitzubringen, wenn es ein Problem ist. Im Flugzeug hatte Sylvia gehört, wie Weiße über den Zoll sprachen, über seine Unberechenbarkeit, seine Parteilichkeit für die Schwarzen, die ganze Haushaltsausstattungen an Möbeln mitbringen durften. Neben ihr hatte ein stiller Mann gesessen, der wie die anderen Jeans und T-Shirt trug; um den Hals hatte er eine Kette mit einem silbernen Kreuz. Möglicherweise war es nur ein modisches Bekenntnis, aber sie fragte ihn schüchtern, ob er Priester sei, und erfuhr, dass er Bruder Jude von der Sowieso-Mission war – der Name, den sie nicht kannte, ging an ihrem Ohr vorbei. Dann fragte sie ihn, ob sie mit ihren großen Koffern Schwierigkeiten zu erwarten habe. Er hörte ihre Geschichte und wohin sie unterwegs war – er kannte Pater McGuire – und versprach, ihr beim Zoll zu helfen, und dort stand er dicht vor ihr in der Schlange. Er blieb zurück und ließ andere vorbeigehen, denn er wartete auf einen jungen Schwarzen, der ihn mit Namen begrüßte und fragte, ob die Koffer für die Mission seien. Er ließ sie durchgehen, dann wurde ihm Sylvia mit ihren Koffern vorgestellt. »Das ist eine Freundin von Pater McGuire. Sie ist Ärztin. Sie bringt Material zum Krankenhaus in Kwadere.« »Oh, eine Freundin von Pater McGuire«, sagte der junge Mann und strahlte sie freundlich an. »Bitte richten Sie ihm meine besten Grüße aus, meine allerbesten.« Und er kritzelte das geheimnisvolle rote Zeichen auf die Koffer. Bei der Personenkontrolle kam sie gut zurecht, weil sie alle nötigen Papiere hatte, und dann standen sie draußen auf der Treppe vor dem Flughafengebäude, an einem klaren, heißen Morgen, und auf Sylvia kam eine junge Frau zu, die ausgebeulte blaue Shorts, ein geblümtes T-Shirt und ein großes silbernes Kreuz trug. »Ah«, sagte Sylvias Retter, »wie ich sehe, sind Sie in guten Händen. Hallo, Schwester Molly«, und ging zu einer Gruppe hinüber, die auf ihn wartete.
    Schwester Molly würde sie zur St. Luke’s Mission fahren. Sie sagte, es habe keinen Sinn, sich in Senga aufzuhalten, sie sollten besser fahren. Und schon fuhren sie in einem verbeulten Lastwagen los, hinein in eine afrikanische Landschaft, von der Sylvia wusste, dass sie sie bewundern würde, sobald sie sich daran gewöhnt hatte. Jetzt war sie ihr fremd. Es war wirklich sehr heiß. Der Wind, der durch das Führerhaus des Lastwagens wehte, war staubig. Sylvia hielt sich an der Tür fest und hörte Molly zu, die unentwegt redete, hauptsächlich über den männlichen Teil ihrer Religionsgemeinschaft, alles männliche Chauvinistenschweine, wie sie sich beklagte. Dieser Ausdruck, der in London nicht mehr den Reiz des Neuen hatte, kam frisch geprägt von ihren lächelnden Lippen. Was den Papst angehe, so sei er reaktionär, bigott, bourgeois, zu alt und frauenfeindlich, und wie schade, dass er offenbar bei bester Gesundheit sei. Gott vergebe ihr, dass sie das gesagt habe.
    Sylvia hatte nicht erwartet, so etwas zu hören. Sie machte sich nicht viel aus dem Papst, obwohl sie wusste, dass sie das als Katholikin tun sollte, und der Sprache des radikalen Feminismus konnte sie aufgrund ihrer Erfahrungen nichts abgewinnen. Schwester Molly fuhr sehr schnell über Straßen, die zuerst gut waren und

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