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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Priester, die in verschiedene Teile der Welt geschickt wurden. Diese Worte in diesem Zusammenhang zu hören verschaffte Sylvia ein merkwürdiges Hochgefühl – genau das, was Colin für seine Bücher Nahrung gab, denn gerade die Weißen hatten sich darüber beklagt, dass die Missionen »Ideen in die Köpfe« der Schwarzen pflanzten –, die unendlichen Ungereimtheiten, zu denen das Leben fähig war. (Kurz bevor Sylvia nach London gefahren war, hatte Edna Pyne zu ihr gesagt, die augenblicklichen Vergehen der Schwarzen seien der Tatsache zuzuschreiben, dass man ihnen zu früh in ihrer evolutionären Entwicklung Ideen in den Kopf gepflanzt habe.)
    »Und was für Ideen sollen das sein?«, warf Sylvia ein, aber sie bekam nur Mollys altes Lied zu hören, der Papst sei ein Sexist und verstehe die Probleme von Frauen nicht. Geburtenkontrolle, sagte Schwester Molly, das sei der Schlüssel, und der Papst habe vielleicht die Schlüssel zum Himmel, darüber wolle sie nicht streiten, aber er verstehe diese Erde nicht. Wenn er in einer Bande aus neun Gören aufgewachsen wäre und ohne das nötige Geld, um sie zu füttern, dann würde er anders klingen. Und im Zustand milder und angenehmer Entrüstung fuhr Schwester Molly den ganzen Weg bis zur St. Luke’s Mission, wo sie Sylvia mit ihren Bücherkisten absetzte. »Nein, ich komme nicht mit rein. Sonst muss ich auch einen Besuch im Nonnenhaus machen.« Und Sylvia hörte Hühnerhaus, wie es vorgesehen war.
    Das Haus des Priesters, das dort im Staub stand, die zerrupften Gummibäume, das Haus der Nonnen und das halbe Dutzend Dächer der Schule auf dem Hügelkamm, die im Sonnenlicht grell hervortraten – all das wirkte so schäbig wie ein flacher Fremdkörper in der alten Landschaft. Sie war wieder zu Hause, ja, das spürte sie – und demnach konnte alles mit einem Atemzug weggeblasen werden. Sie stand da, der Geruch nasser Erde drang in ihre Nase, und Wärme kroch an ihren Beinen hoch. Dann erschien Rebecca und schrie: »Sylvia, o Sylvia«, und die beiden Frauen umarmten sich. »Ach, Sylvia, ich habe Sie so vermisst.« Sylvia spürte, dass das, was sie umarmte, zu ihrem Gefühl von Vergänglichkeit, von Unbeständigkeit passte. Rebeccas Körper war wie ein sehr zerbrechliches Bündel aus dünnen Knochen, und als Sylvia sie von sich weghielt, um ihr ins Gesicht zu sehen, sah sie, dass Rebeccas Augen unter dem alten, ausgeblichenen Kopftuch tief in ihren Höhlen lagen.
    »Was ist los, Rebecca?«
    »O.k.«, sagte Rebecca und meinte damit: Ich erzähle es Ihnen noch. Aber zuerst ergriff sie Sylvias Hand, führte sie ins Haus, an den Tisch, und setzte sich ihr gegenüber. »Mein Tenderai ist krank.« Keine Zurückhaltung, als die beiden Augenpaare einander suchten. Zwei von Rebeccas Kindern waren gestorben, ein weiteres war lange krank gewesen, und jetzt auch noch Tenderai. Die Quelle der Krankheit war Rebeccas Mann, der offenbar noch bei guter Gesundheit war, obwohl er dünn war und trank. Nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit musste Rebecca HIV -positiv sein, aber wer konnte das wissen, ohne Test? Und wenn es so war, was konnte man tun? Sie würde wohl kaum mit anderen Männern schlafen und so die tödliche Krankheit verbreiten.
    Sylvia war eine Woche fort gewesen. »O.k.«, sagte sie und benutzte nun selbst diese neue oder ziemlich neue Redewendung, mit der jetzt offenbar jeder Satz begann. Sie meinte damit, dass sie die Information aufgenommen hatte und Rebeccas Angst teilte. Sie fuhr fort: »Ich untersuche ihn. Vielleicht ist es nur eine vorübergehende Krankheit.«
    »Das hoffe ich«, sagte Rebecca, und dann stellte sie ihre familiären Sorgen hintan und berichtete: »Und Pater McGuire arbeitet viel-viel zu schwer.«
    »Das habe ich gehört. Und was ist das für eine Geschichte mit dem Diebstahl?«
    »Das ist einfach dumm. Es geht um diese Kisten mit Material bei dem Krankenhaus, wo wir hingefahren sind. Es heißt, Sie haben sie gestohlen.«
    In London war Sylvia in Gedanken bei der Mission gewesen und hatte sich überlegt, dass es nur vernünftig wäre, noch einmal zu dem ruinösen Krankenhaus zu fahren und alles mitzunehmen, was man gebrauchen konnte. Aber hier ging es noch um etwas anderes, und Rebecca rückte nicht damit heraus. Sie schaute in die Luft, und an ihrem angespannten Gesicht konnte Sylvia ablesen, dass ihr etwas peinlich war.
    »Bitte sagen Sie es mir, Rebecca. Was ist los?«
    Rebecca sah Sylvia noch immer nicht an, als sie sagte, das alles sei einfach

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