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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Was ist mit mir?« Jetzt war es eher ein Murmeln, und zum ersten Mal schienen die zornigen Augen Frances tatsächlich zu sehen. »Du bist doch auch nicht gerade Brigitte Bardot! Warum kommt er dann ständig hierher?«
    Das warf ein unerwartetes Licht auf die Sache, und Frances verschlug es die Sprache.
    Andrew sagte: »Er kommt her, weil wir hier sind, Phyllida. Wir sind seine Söhne, erinnerst du dich? Colin und ich – hast du uns vergessen?«
    Es schien so. Und nachdem sie eine Weile reglos dagestanden hatte, senkte sie plötzlich ihren ausgestreckten anklagenden Finger und stand zwinkernd da, als würde sie gerade erwachen. Dann drehte sie sich um und schoss zur Tür hinaus.
    Frances fühlte, wie sich alles in ihr löste. Sie zitterte und musste sich gegen die Wand lehnen. Andrew stand kraftlos da und lächelte kläglich. Sie dachte: Er ist doch noch zu jung, um mit so etwas fertig zu werden. Stolpernd erreichte sie die Küchentür, hielt sich daran fest, während sie hineinging, und sah, dass Colin und Sophie am Tisch saßen und Toast aßen.
    Colin war offenbar in der Stimmung, in der er sie ablehnte. Sophie hatte wieder geweint.
    »Na«, sagte Colin mit kalter Wut, »was kann man schon erwarten?«
    »Was meinst du denn?«, fragte Frances überflüssigerweise. Es war ein Versuch, Zeit zu gewinnen. Sie glitt auf ihren Stuhl und legte den Kopf auf ihre Arme. Sie wusste, was er meinte. Es war eine generelle Anklage: dass sie und sein Vater alles versaut hatten, dass sie keine gewöhnliche Mutter war, bei der man es angenehm hatte wie bei anderen Müttern. Und dann dieser Boheme-Haushalt, über den er sich manchmal heftig ärgerte, wenn er in dieser Stimmung war, während er ihn sonst genoss.
    »Sie kommt einfach her«, sagte Colin, »sie taucht einfach auf und macht eine Szene, und jetzt müssen wir uns um Tilly kümmern.«
    »Sie will Sylvia genannt werden«, erklärte Andrew, der hereingekommen war und am Tisch saß.
    »Es ist mir egal, wie sie heißt. Wieso ist sie hier?« Colin war jetzt den Tränen nahe und sah mit seiner schwarzrandigen Brille aus wie eine zerraufte kleine Eule. Während Andrew ganz lang und schlank war, war Colin rundlich und hatte ein weiches, offenes, im Moment vom Weinen verquollenes Gesicht. Jetzt begriff Frances, dass die beiden, Colin und Sophie, sich wahrscheinlich die ganze letzte Nacht weinend in den Armen gelegen hatten, sie wegen ihres toten Vaters und er, weil er traurig war über … über alles eben.
    Andrew, der noch genauso zitterte wie Frances, sagte: »Warum lässt du das denn an Mutter aus? Sie kann nichts dafür.«
    Wenn ein neues Problem auftrat, fingen die Brüder gewöhnlich an zu streiten; das taten sie oft, und immer, weil Andrew Frances’ Seite vertrat, während Colin ihr Vorwürfe machte.
    Frances sagte: »Sophie, bitte mach mir eine Tasse Tee – und Andrew kann bestimmt auch eine brauchen.«
    »Gott, allerdings«, sagte Andrew.
    Sophie sprang auf, sie freute sich, dass man sie darum gebeten hatte. Colin, der jetzt seine Unterstützung verloren hatte, weil sie ihm nicht mehr gegenübersaß, zwinkerte unbestimmt und so unglücklich, dass Frances ihn in die Arme nehmen wollte – aber das hätte er nie zugelassen.
    »Ich besuche Phyllida später. Dann hat sie sich beruhigt. Wenn sie nicht gerade durchdreht, ist sie gar nicht so übel.« Andrew sprang auf. »
Gott
, ich habe Tilly ganz vergessen, ich meine Sylvia, und sie hat sicher alles mitgekriegt. Es macht sie vollkommen fertig, wenn ihre Mutter auf sie losgeht.«
    »Und ich bin auch vollkommen fertig«, sagte Frances. »Das Zittern hört gar nicht mehr auf.«
    Andrew rannte aus dem Zimmer. Er traf Julia an Sylvias Bett an, die sich unter der Decke versteckte und heulte: »Sie soll nicht herkommen, sie soll nicht herkommen«, und Julia sagte immer wieder: »Schschsch, sei still. Sie ist ja schon gegangen.«
    Unten in der Küche trank Frances schweigend Tee, und das Zittern ließ nach. Wenn sie in einem Buch gelesen hätte, dass Hysterie ansteckend sei, hätte sie gesagt: Ja, das glaube ich sofort! Aber erlebt hatte sie das noch nie. Sie dachte: Wenn Tilly damit leben musste – kein Wunder, dass sie so durcheinander ist.
    Sophie hatte sich neben Colin gesetzt, und die beiden hatten die Arme umeinander gelegt wie zwei Waisen. Bald brachen sie auf, weil sie mit dem Zug zurück zur Schule fahren wollten, und Colin lächelte ihr entschuldigend zu, bevor er ging. Sophie umarmte sie. »Ach, Frances, ich weiß

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