Ein süßer Traum (German Edition)
sitzen?«
»Gar keine«, sagte Frances. »Keine Garantie. Beide haben Streit mit ihren Eltern, und sie sind bei mir gelandet. Beide sind Schulabbrecher, aber ich denke, sie gehen wieder hin.«
»Ich verstehe. Ein Freund von meinem Sohn – ein Schulfreund – ist öfter bei uns als zu Hause.«
»Sagt er, dass seine Eltern Arschlöcher sind?«
»Er sagt, sie verstehen ihn nicht. Aber ich verstehe ihn auch nicht. Sagen Sie, mussten Sie für Ihren Artikel viel recherchieren?«
»Ziemlich viel.«
»Aber Sie haben keine Lösungen geboten.«
»Ich kenne die Lösungen nicht. Können Sie mir sagen, warum ein Mädchen – ich meine das dunkelhaarige Mädchen draußen, Rose Trimble –, dessen wahre Probleme soeben noch gelöst schienen, genau in diesem Moment wissentlich etwas macht, das alles verderben kann?«
»Ich nenne das mit dem Feuer spielen«, sagte Mrs. Kent. »Sie probieren gerne ihre Grenzen aus. Sie tanzen auf dem Seil, in der Hoffnung, dass jemand sie auffängt. Und Sie fangen sie doch auf?«
»Ich denke schon.«
»Sie würden sich wundern, wie oft ich genau diese Geschichte höre.«
Die beiden Frauen standen dicht nebeneinander am Fenster, und so etwas wie Verzweiflung verband sie.
»Ich wünschte, ich wüsste, was los ist«, sagte Mrs. Kent.
»Geht uns doch allen so.«
Sie gingen zurück in das Büro, und die Mädchen, die auf Kosten der älteren Frauen gekichert und gelacht hatten, schwiegen wieder und sahen beleidigt aus.
Mrs. Kent sagte: »Ich gebe euch noch eine Chance. Mrs. Lennox verbürgt sich dafür, euch zu helfen. Aber im Grunde überschreite ich meine Kompetenzen; ich hoffe, euch beiden ist klar, dass ihr sehr knapp davongekommen seid. Ihr habt beide großes Glück, dass Mrs. Lennox eure Freundin ist.« Die letzte Bemerkung war ein Fehler, aber das konnte Mrs. Kent nicht wissen. Frances konnte geradezu hören, wie der Groll in den Mädchen aufkochte, zumindest in Rose, weil sie angeblich jemandem etwas schuldig war.
Auf dem Gehweg vor dem Gebäude verkündeten sie, sie würden jetzt einkaufen gehen.
»Wenn ich euch sage, dass ihr nichts stehlen sollt, nehmt ihr das zur Kenntnis?«
Sie gingen einfach weg, ohne Frances anzusehen.
An diesem Abend beim Essen ließen sie die anderen wissen, sie hätten die beiden Biba- oder Biba-ähnlichen Kleider geklaut, die sie trugen und die beide so kurz waren, dass sie sie nur ausgesucht haben konnten, um zu schockieren oder Kritik hervorzurufen.
Sylvia sagte tatsächlich, sie finde sie zu kurz, und man merkte, wie es sie anstrengte, sich zu behaupten.
»Zu kurz wofür?«, höhnte Rose. Sie hatte Frances den ganzen Abend kein einziges Mal angeschaut, und es war, als hätte es die morgendliche Krise nie gegeben. Jill dagegen murmelte hastig: »Danke, Frances, tausend Dank«, und es klang gleichzeitig höflich und aggressiv.
Andrew sagte den Mädchen, sie hätten verdammt viel Glück gehabt, so davonzukommen, und Geoffrey, der vollendete Ladendieb, meinte, es sei leicht, nicht erwischt zu werden, wenn man aufpasse.
»In der U-Bahn hat es nichts mit Aufpassen zu tun«, sagte Daniel, der nur deshalb keine Fahrkarten kaufte, weil er es seinem Idol Geoffrey gleichtun wollte. »Es ist Glück. Man wird entweder erwischt oder nicht.«
»Dann fahr eben nicht schwarz«, sagte Geoffrey. »Nicht mehr als zweimal. Das ist dumm.«
Daniel wurde rot, weil Geoffrey ihn öffentlich kritisierte, und sagte, er fahre schon »seit Jahren« ohne Ticket und sei erst zweimal erwischt worden.
»Und das dritte Mal?«
»Das dritte Mal ist’s Pech«, sagte die Gesellschaft im Chor.
Das war die Woche, in der Jill sich erlaubte, schwanger zu werden, nein, sie hatte es darauf angelegt.
All diese Dramen hatten sich in den vier Monaten nach Weihnachten abgespielt, und sämtliche Protagonisten waren da, als wäre nichts passiert. Die Jungen und Mädchen saßen an diesem Frühlingsabend am Tisch und machten Pläne für den Sommer.
Als Nächstes verkündete Geoffrey, er werde in die Staaten fahren und zu denen stoßen, die »auf den Barrikaden« für die Rassengleichheit kämpften. Eine nützliche Erfahrung für Politik und Wirtschaftswissenschaften an der LSE .
Andrew sagte, er werde dableiben und lesen.
»Aber nicht
Richard Feverel
«, sagte Rose. »Diesen Mist.«
»Doch, das auch«, sagte Andrew.
Sylvia war eingeladen, mit Jill zu deren Cousine nach Exeter zu fahren (»Da ist es groovy, die haben Pferde«), und sagte nein, sie werde hierbleiben und
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