Ein süßer Traum (German Edition)
zu passen. Am Ende entschieden sie sich gemeinsam für Schneeglöckchen, die Hoffnung – aber die waren schon verblüht –, und für Immergrün, frühe Freundschaft. Sophie glaubte, es gebe welche im Garten ihrer Mutter. Und was noch?
»Los, weiter«, sagte Geoffrey. »Lebe gefährlich. Maiglöckchen – Wiederkehr des Glücks. Und Phlox – Zustimmung.«
Sophie legte ihr Sträußchen auf den Sockel und zog sich ein wenig zurück; als sie wiederkam, stellte sie fest, dass ihre Blumen fort waren. Aber vielleicht hatte jemand anders sie mitgenommen? Nein, denn als sie am nächsten Tag kam, war dort ein junger Mann, der sagte, er habe sie schon »eine Ewigkeit« beobachtet und sei zu schüchtern gewesen, um sich ihr ohne die Sprache der Blumen zu nähern. Das war ein Märchen, denn schüchtern war er nicht. Er war Schauspieler und studierte an der Akademie, die sie im Herbst besuchen wollte. Der junge Mann hieß Roland Shattock, und er sah auf ausgezehrte Weise gut aus, war in jeder Hinsicht dramatisch und eine Art Trotzkist. Sophie hatte ihn zum Abendessen mitgebracht, und er kam häufig vorbei, so auch an diesem Abend. Weil er älter war als die anderen, sogar ein Jahr älter als Andrew, gab er sich weltklug. Er trug eine lila gefärbte Wildlederjacke mit Fransen, und man empfand seine Anwesenheit als Erscheinung aus der Erwachsenenwelt und als so etwas wie eine Eintrittskarte zu ihr. Wenn sie für
ihn
keine »Kinder« waren, dann … Es kam ihnen nie in ihren idealistischen Sinn, dass er ganz einfach etwas Ordentliches zu essen brauchte.
Wenn Roland da war, war Colin meistens still, besonders, wenn Johnny hereinschneite, denn die Auseinandersetzungen zwischen dem jungen Trotzkisten und dem alten Stalinisten waren laut und heftig und oft auch gehässig. Sylvia floh dann nach oben zu Julia.
Johnny war in Kuba gewesen und hatte vor, einen kleinen Film zu drehen. »Aber ich fürchte, der bringt nicht viel Geld ein, Frances.« Inzwischen war er nochmals verreist gewesen, um mit Genosse Mo das unabhängige Sambia zu besichtigen.
Was Rose betraf, so gab es immerzu Probleme, anscheinend an jedem Tag in diesen vier Monaten. Weder wollte sie wieder in ihre Schule gehen noch nach Hause. Allenfalls war sie bereit, das St. Joseph’s zu besuchen, aber nur, wenn sie weiterhin in diesem Haus wohnen konnte. Andrew machte sich noch einmal auf den Weg zu ihren Eltern. Sie glaubten, dass dieser reizende junge Mann, der auch noch zur Oberschicht gehörte, Pläne mit ihrer Tochter hatte, und das machte es ihnen leichter, sich einverstanden zu erklären, nicht mit dem St. Joseph’s, denn das konnten sie sich nicht leisten, aber mit einer Tagesschule in London. Sie würden das Schulgeld dafür aufbringen und ihr ein Taschengeld für Kleidung geben. Aber sie wollten nicht für Roses Kost und Logis bezahlen. Sie ließen durchblicken, dass Andrew für ihren Unterhalt zuständig war. Und das hieß letztlich: Frances.
Vielleicht konnte man Rose bitten, etwas als Gegenleistung zu tun, zum Beispiel Hausarbeit – denn es war ein Ding der Unmöglichkeit, alles sauber zu halten, trotz Julias Mrs. Philby, die sich im Grunde darauf beschränkte, die Fußböden zu saugen. »Sei nicht albern«, sagte Andrew. »Kannst du dir vorstellen, dass Rose einen Finger krumm macht?«
Eine Schule der progressiven Art wurde in London gefunden, und Rose war einverstanden. »Wenn sie nur hierbleiben kann, macht sie keine Schwierigkeiten.« Doch dann kam Andrew zu Frances und sagte, es gebe ein großes Problem. Rose habe Angst, es Frances zu sagen. Und es gehe außerdem um Jill. Die Mädchen seien ohne Fahrschein in der U-Bahn erwischt worden, und es sei für beide das dritte Mal. Man habe sie in die Büroräume der Transport Police zu der Beamtin zitiert, die für jugendliche Straftäter zuständig sei. Sie würden sicher eine Geldstrafe bekommen, und es sei durchaus möglich, dass sie in eine Jugendstrafanstalt eingewiesen würden. Frances war viel zu wütend auf Rose, auf diese allzu vertraute Art – ein mattes, mutloses Gefühl wie eine chronische Magenverstimmung –, um ihr entgegenzutreten, aber sie bat Andrew, den Mädchen auszurichten, sie werde sie zu ihrem Gespräch begleiten. Am verabredeten Morgen kam sie nach unten und traf auf die beiden schmollenden Mädchen, die, vereint in ihrem Hass auf die Welt, in der Küche saßen und rauchten. Ihre Aufmachung erinnerte an Pandas: weiße Lidschatten, schwarz umrandete Augen und schwarz
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