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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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amerikanische Matrone war und das eine oder andere Kind und den einen oder anderen Ehemann hatte, und bei der Beerdigung trafen sie sich wieder, und dann flog Mandy zurück nach Washington und war aus seinem Leben verschwunden.
    In dieser Weihnachtsnacht passierte noch etwas.
    Spät, weit nach Mitternacht, schlich Franklin die Treppe hinauf und lauschte, ob Rose wirklich schlief. Die Küche war dunkel. Er ging weiter hinauf, am Wohnzimmer vorbei, wo Geoffrey und James in ihren Schlafsäcken lagen. Hinauf in die nächste Etage, wo Sylvia ihr Zimmer hatte, wie er wusste. Auf dem Treppenabsatz brannte Licht. Er klopfte an Sylvias Tür, nicht lauter, als eine Henne pickt. Kein Laut. Er versuchte es noch einmal, klopfte ganz leise: Er traute sich nicht, lauter zu klopfen. Und dann tauchte gleich über ihm Andrew auf.
    »Was machst du da? Hast du dich verlaufen? Das ist Sylvias Zimmer.«
    »Ach, ach, es tut mir so leid. Ich dachte …«
    »Es ist spät«, sagte Andrew. »Geh wieder ins Bett.«
    Franklin schlich die Treppe hinunter, aber nur so weit, bis Andrew ihn nicht mehr sehen konnte, und dort brach er zusammen, krümmte sich und legte den Kopf auf die Knie. Er weinte, aber so leise, dass es nicht zu hören war.
    Dann spürte er einen Arm, der sich um seine Schultern legte, und Colin sagte: »Armer alter Franklin. Mach dir nichts draus. Reg dich nicht auf über Andrew. Er gehört eben zu den Leuten auf der Welt, die von Natur aus Aufsichtsschüler sind.«
    »Ich liebe sie«, schluchzte Franklin. »Ich liebe Sylvia.«
    Colin drückte ihn fester an sich und legte seine Wange an Franklins Kopf. Er rieb sie an dem elastischen, dichten Haar, das Gesundheit und Kraft auszustrahlen schien, wie Heidekraut. »Das stimmt doch gar nicht«, sagte er. »Weißt du, sie ist immer noch ein kleines Mädchen – ja, sie ist vielleicht schon sechzehn oder siebzehn oder wie alt auch immer, aber sie ist … sie ist nicht reif, weißt du? Daran sind nur ihre Eltern schuld. Sie haben sie verkorkst.« Hier merkte er zu seiner eigenen Überraschung, dass er lachen musste: Er spürte, wie absurd das war. Aber er hielt durch. »Das sind alles Arschlöcher«, teilte er Franklin mit und wandelte das Lachen in ein Husten um.
    Franklin war noch erstaunter als sonst. »Deine Mutter ist aber doch so nett. Sie ist so gut zu mir.«
    »Oh ja, sicher. Aber das ist nicht gut, das mit Sylvia, meine ich. Du musst dich in jemand anderen verlieben. Wie wäre es mit …« Und er fing an, Mädchennamen aus der Schule aufzuzählen, und sang sie wie ein Lied. »Es gibt Jilly und es gibt – Jolly. Es gibt Milly und es gibt Molly. Es gibt Elizabeth und Margaret, es gibt Caroline und Roberta.« In normalem Tonfall sagte er: »Niemand kann behaupten, dass die unreif sind«, und lachte hässlich.
    Ich liebe sie aber, sagte Franklin zu sich selbst. Dieses zarte, blasse Mädchen mit dem duftigen goldenen Haar. Er war entzückt von ihr, sie in den Armen zu halten wäre … Er wandte sein Gesicht von Colin ab und schwieg. Colin spürte, dass die Schultern unter seinem Arm heiß und elend waren. Er konnte sich so gut mit diesem Elend identifizieren, er wusste genau, dass er nichts sagen konnte, durch das es Franklin besser ging. Er fing an, Franklin sanft zu wiegen. Franklin dachte, dass er nichts anderes wollte, als noch heute Abend nach Afrika zurückzugehen, für immer zu gehen, denn ihm war alles zu viel, aber er wusste, dass Colin gut zu ihm war. Und er saß gerne hier, wo der gute Junge ihn im Arm hielt.
    »Mächtest du mit deinem Schlafsack in mein Zimmer kommen? Ist doch besser, als bei Rose zu sein, und wir können so lange schlafen, wie wir wollen.«
    »Ja … nein, nein, ist schon in Ordnung. Ich gehe jetzt runter. Danke, Colin.« Ich liebe sie aber, wiederholte er im Stillen.
    »Also gut«, sagte Colin. Er stand auf und kehrte in sein Zimmer zurück.
    Franklin ging nach unten und dachte: Am Morgen kann ich mich auf etwas gefasst machen – von Andrew nämlich. Aber Andrew erwähnte die Sache nicht und spielte auch nie darauf an. Und so erfuhr Sylvia nie, dass Franklins Sehnsucht ihn dazu getrieben hatte, die Treppe hinaufzugehen und an ihre Tür zu klopfen.
    Als Franklin unten an der Treppe zur Souterrainwohnung ankam, stand Rose mit den Händen in den Hüften da, und ihr Gesicht war misstrauisch verzogen.
    »Wenn du glaubst, dass du mit Sophie schlafen kannst, dann überleg dir das noch mal. Colin ist verrückt nach ihr, auch wenn Roland Shattock nicht

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