Ein süßer Traum (German Edition)
ich euch nie verzeihen«, sagte Colin heftig; er fühlte sich verlassen und zurückgewiesen.
»Armer Kerl«, sagte Wilhelm.
»Sie zurückzuschicken in … in …«
»In die Klapsmühle, wolltest du sagen, mein Schatz, aber das ist in Ordnung, sei nicht traurig. Und sei nicht verrückt«, und sie lachte.
Andrew kam vom Telefon zurück. Alle saßen da und warteten, Colin mit feuchten Augen, und sie hörten der Verrückten zu, die auf dem Sofa lag und ihr
Sally
sang, immer wieder, und diese hohe, süße, klare Stimme brach ihnen das Herz, nicht nur Colin.
Unten am Abendbrottisch war es still, denn die Krise war diskutiert worden und hatte die Gesellschaft so sehr gespalten, dass sie sich hatte zerstreuen müssen.
Als es an der Tür klingelte, ging Andrew nach unten. Er kam mit einer müden Frau mittleren Alters zurück, die ein graues Kleidungsstück trug, eine Art Overall, und über dem Arm hatte sie – ja, das war eine Zwangsjacke.
»Also, Molly«, sagte die Frau vorwurfsvoll zu der Vagabundin. »Was für eine Zeit, um uns das anzutun. Sie wissen doch, dass wir zu Weihnachten immer knapp sind mit Personal.«
»Böse Molly«, sagte die Kranke und stand mit Frances’ Hilfe auf. Sie schlug sich sogar auf die Hand. »Unartige Molly Marlene.«
Die Beamtin betrachtete ihren Schützling prüfend und beschloss, dass es keinen Grund gab, Gewalt anzuwenden. Sie legte den Arm um Molly oder Marlene und führte sie zur Tür und die Treppe hinunter, und Julia wäre ihnen beinahe gefolgt.
»Good byeeee … don’t cryeeee …«
Im Flur drehte sie sich zu ihnen um. »Das waren gute Zeiten«, sagte sie. »Das war meine glücklichste Zeit. Sie haben immer nach mir gefragt. Sie nannten mich Marlene … Das ist eigentlich mein Inkognito. Sie wollten immer, dass ich mein
Sally
singe.« Jetzt ging sie
Sally
singend am Arm ihrer Wächterin, die sich umdrehte und sagte: »Wissen Sie, es ist Weihnachten. Weihnachten regen sie sich immer alle auf.«
Colin warf seiner Mutter tränenüberströmt vor: »Wie konnten wir das tun? In so einer Nacht schickt man doch keinen Hund auf die Straße«, und lief nach oben, und Sophie, die noch in der Küche war, folgte ihm, um ihm beizustehen und ihn zu trösten. Es war eine ziemlich milde Nacht. Als ob es darum ginge.
Am nächsten Nachmittag fuhr Colin mit dem Bus zur Nervenklinik. Er wusste nur, dass sie die einzige im nördlichen London war. Riesig, eine Villa, die durch das, was man mit ihr verband, wie der Schauplatz eines Schauerromans wirkte, und Colin trat ein und stand in einem Gang, der anscheinend einen halben Kilometer lang und glänzend kotzgrün gestrichen war. An dessen Ende war eine Treppe, und dort traf er die Frau, die in der Nacht zuvor gekommen war, um die arme verrückte Molly Marlene zu holen. Sie sagte ihm, dass Molly Smith in Zimmer 23 sei und dass er sich nicht ärgern dürfe, wenn sie ihn nicht erkenne. Sie trug einen Plastikoverall, hatte Handtücher über dem Arm und eine stark riechende Seife in der Hand. Zimmer 23 war geräumig und hatte große Fenster, leicht und luftig, aber es brauchte dringend einen neuen Anstrich. Jemand hatte mit Klebeband Zweige einer Weihnachts-Stechpalme an die Wand geheftet. Männer und Frauen unterschiedlichen Alters saßen auf schäbigen Stühlen herum, manche schauten nirgendwohin, manche bewegten sich unruhig, was ein sichtbarer Ausdruck dessen war, dass sie träumten, an einem anderen Ort zu sein, und ungefähr zehn Personen saßen da wie bei einer Teegesellschaft, hielten Becher mit Tee, reichten Kekse herum und unterhielten sich. Molly oder Marlene saß auch dabei. Colin sagte verlegen und peinlich berührt, hilflos wie ein Kind in einem Raum voller Erwachsener: »Hallo, erinnern Sie sich an mich? Sie waren gestern Abend in unserem Haus.«
»Ach, war ich das, mein Lieber? Oje, das weiß ich nicht mehr. Bin ich herumspaziert? Manchmal gehe ich spazieren, und dann … aber setz dich doch, mein Lieber. Wie heißt du denn?«
Colin setzte sich auf einen leeren Stuhl in ihrer Nähe, und die Blicke aller waren auf ihn gerichtet: Jeder schien sich danach zu sehnen, dass etwas Interessantes passierte. Er versuchte, Konversation zu machen, als die Wärterin oder Krankenschwester oder Aufseherin vom Abend zuvor hereinkam und sagte: »Das Badezimmer ist frei.« Ein Mann mittleren Alters stand auf und ging hinaus.
»Als Nächstes ich«, sagte Molly und lächelte Colin unbestimmt, aber sehr durchdringend an, und er platzte heraus:
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