Ein sueßes Stueck vom Glueck
vorbei, immer wieder durchschnitt Licht die Dämmerung. Ein Radfahrer fuhr ernst vorüber, den Kopf tief gebeugt, bestens ausgestattet, teure orangefarbene Spezialkleidung schützte ihn vor der Kälte.
Sie gingen schweigend zurück, während sich das Leben in den Straßen von der Seine ein paar Straßen weiter zu den Champs-Élysées verlagerte. Auch wenn es noch früh war, fühlte es sich wie mitten in der Nacht an, als sie den Trocadéro auf der dem Eiffelturm gegenüberliegenden Seite der Seine erreicht hatten. Cades Füße schmerzten in den Stiefeln, aber sie erwähnte es nicht.
Sylvain hielt ihre Hand fest und führte sie zur Esplanade über der unbeschreiblichen Fontaine de Varsovie. Von diesem beliebten Aussichtspunkt aus zeigte sich das Wasserspiel in Kaskaden und zahlreichen Fontänen genau gegenüber den allgegenwärtigen eisernen Symbol der Romantik und Zivilisation.
»Warum also Schokolade?«, fragte sie. Das war doch eine dumme Frage. Warum machte nicht jeder auf der Welt Schokolade zu seinem zentralen Lebensmotto – das war eine viel logischere Frage. Wie konnte man ihr überhaupt widerstehen?
»Ich habe sie schon immer geliebt. Ich liebe es, damit zu arbeiten.« Er sah sie neckend an. »Und Frauen können ihr nicht widerstehen.«
Er sagte das, um sie zum Lachen zu bringen, aber ihr war nicht zum Lachen zumute. »Ist sie der Weg zum Herzen einer Frau?«, fragte sie nüchtern und versuchte, nicht zu zeigen, wie viel es ihr ausmachte, nur eine von vielen Frauen zu sein, deren Herz so leicht zu gewinnen war.
Seine Hand spielte durch die Handschuhe hindurch mit ihrer. Er betrachtete die leuchtenden Türme der Stadt. »Das Herz einer Frauen ist etwas komplizierter als ihre Sinne. Deshalb: Nein. Ich kann nicht behaupten, dass ich herausgefunden hätte, wie man das Herz einer Frau erobert.«
»Hast du es versucht?«
Er gab keine Antwort. Er schaute über das Wasser zum Eiffelturm hinüber, blickte dann auf sie herab, ohne eine Wort zu sagen.
Die klare, elegante Wangenlinie wurde sanft von einer Straßenlaterne beleuchtet, das schwarze Haar vom Wind durcheinandergewirbelt, die Augen waren dunkler als die Nacht. Vielleicht war das als Antwort poetisch genug. Aber es gab ihr nicht den geringsten Hinweis.
24
Sie hielten bei einem Bistro, das keiner von ihnen kannte, um etwas zu essen. Warmes Licht und Lärm drangen hinaus auf die Straße, das kleine Lokal war brechend voll mit Leuten, die glücklich wirkten.
Es hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem sehr formellen Restaurantbesuch, zu dem sie ihn in ihrer Vorstellung eingeladen hatte. Es war besser. Dieses Bistro war frei von Stille, von Eleganz. Die Mahlzeit bestand aus pavés de bæuf, frites und sauce au Roquefort. Der Raum war ein wenig überheizt, und sie wurden unentwegt von den Hinterteilen anderer Leute angestoßen, sobald sich jemand an einen benachbarten Tisch quetschte oder von ihm aufstand. Auf der Wand hinter Sylvain hatte jemand in grauer Vorzeit anscheinend mit dem Zeichnen eines Kunstwerks begonnen, war dann aber wohl beim ersten Bein des Eiffelturms auf halbem Wege abgelenkt worden und hatte sich nie wieder an die Fortsetzung gemacht. Die Weinflasche, die der Kellner brachte, wies keinerlei sichtbaren Staub auf und war erst vor wenigen Jahren befüllt worden und entsprach damit so gar nicht der Art von Weinflasche, die Cade üblicherweise an den Tisch gebracht wurde.
Es war perfekt. Sie konnte sich nicht entsinnen, sich je so perfekt gefühlt zu haben.
Sie blieben viele Stunden. Sylvain übernahm abwesend die Rechnung, ohne darauf zu achten, dass sie es mitbekam, das schien ihn überhaupt nicht zu kümmern – und dann konnten sie den Augenblick nicht länger hinauszögern, konnten nicht länger im Warmen verweilen, inmitten der Tische voller Gelächter und glücklicher, wohlgenährter Leute, sondern gingen wieder hinaus in die Kälte. Cade zitterte im ersten Moment heftig, und Sylvain lächelte und steckte ihr den Schal unterm Kinn fest.
»Sollen wir ein Taxi rufen?«, fragte sie widerstrebend. Es war ein langer Rückweg, und ihre Füße schmerzten sehr, als seien sie verstimmt über ihren Versuch, die Pariserinnen mit ihren hochhackigen Stiefeln zu imitieren. Aber ihr missfiel die Vorstellung, dieser Abend könnte enden.
In der Nähe des Bistros stand eine Reihe schwerer, seltsamer, metallfarben lackierter Fahrräder sicher an der Verleihstation angeschlossen, jedes davon mit einem Korb am Lenker sowie dem Schriftzug Vélib und
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