Ein sueßes Stueck vom Glueck
konnte sich nicht länger beherrschen und brach in Gelächter aus. »Du bist schüchtern?«
Er zuckte mit den Schultern und konzentrierte sich wieder auf die Straße, ohne zu versuchen, sie vom Gegenteil zu überzeugen.
Was hatte sie da nicht mitbekommen? Warum glaubte er, schüchtern zu sein? War er ihr gegenüber irgendwie schüchtern? »Was hat dann Angeberei mit diesen grässlichen Klamotten zu tun?«
»Sie verkleiden sich gern. Letztes Jahr Silvester haben meine Mutter und meine Schwester uns drei in Kuhkostüme gesteckt. Mit Euter und allem Drum und Dran.« Er klang, als hätte man ihn dazu gezwungen, aber sie war sich ziemlich sicher, dass man nichts mit ihm machen konnte, was er nicht wollte.
Cade versuchte, sich den eleganten, leidenschaftlichen Sylvain Marquis in einem Kuhkostüm mit Euter vorzustellen. Das ging erstaunlich leicht. In ihrer Vorstellung amüsierte er sich prächtig und grinste seine dunkelhaarige Schwester an, die sie in seinem Fotoalbum gesehen hatte.
Irgendetwas an dem Bild bewirkte, dass sich ihr Körper plötzlich in einem Gefühl des freien Falls zusammenzog, als bemerke sie plötzlich, dass ihr das Herz herausgerissen worden war.
»Und bei Papas Pensionierung mussten wir eine Nummer aufführen, bei der ich einen Gangster, einen Cowboy und einen braungefleckten Mischling – Papas ersten Hund – spielen musste. Das alles innerhalb von fünf Minuten. Und das alles nur wegen meiner Schwester, das sag ich dir.«
Ja, klar. Sie könnte wetten, dass er sich die Hälfte der Rollen selbst ausgedacht hatte. Warum also meinte er, er sei schüchtern? »Du solltest die Nummer sehen, die meine Schwester und ich bei Großvaters achtzigstem Geburtstag aufgeführt haben. Wenn du mich betrunken genug machst, zeige ich dir vielleicht das Video.«
Er sah sie mit diesen teuflisch ausdrucksstarken hochgezogenen Augenbrauen an. »Du meinst, ich muss auf alkoholische Getränke zurückgreifen, wenn ich etwas aus dir herausholen will?«
Sie tat so, als wolle sie ihn schlagen. Dabei lächelten sie beide.
»Der bäuerliche Aspekt dieser Veranstaltung rührt daher, dass mein Cousin immer davon geträumt hat, Ziegen zu halten.«
Cade blinzelte und versuchte, sich ein paar Minuten lang vorzustellen, wie man davon träumen konnte, Ziegen zu halten. Dann versuchte sie, ihre Gedanken mit ihren vorangegangenen Vorstellungen von dem französischen Schloss, zu dem sie gerade fuhren, zu verbinden. So oder so scheiterte ihr Vorstellungsvermögen an den Ziegen.
»Also haben wir alle zusammengelegt – damit er seine Ziegen bekommt. Und eine Schar Enten dazu. Er wollte auch einen Esel, aber sein Partner hat uns gebeten, vernünftig zu sein. Und um diesem Thema gerecht zu werden, verkleiden wir uns alle als Bauern.«
Eine verrückte und begeisterungsfähige Familie, die mitten im Leben stand. Wenn niemand wüsste, wer Cade war, könnte sie sich amüsieren.
»Kannst du mich unter falschem Namen vorstellen?« Sylvain würdigte dies keiner Antwort. Der Van durchquerte eine freundliche, leicht hügelige Landschaft. Steinhäuser gruppierten sich zu winzigen Dörfern, die Wäsche hing selbst im November zum Trocknen draußen. Die Straße war von Pappeln gesäumt, deren gerade, endlose Eleganz ein tiefes, freundliches Wohlgefallen in Cade hervorrief. Sylvain hatte seinem kleinen Audi einen wehmütigen Blick geschenkt, sich dann aber für den Van des Ladens entschieden, weil er damit die riesige, kunstvolle Schokoladenfigur transportieren konnte, ein derart fantastisches Mitbringsel, das fast surreal erschien. Hatte er das den Nachmittag über gestaltet? Sie wünschte, sie wäre in seinem Laboratoire gewesen und hätte ihn als Schokoladenbildhauer erlebt.
Er war garantiert ganz in die Arbeit vertieft gewesen und hatte sie mit Sorgfalt und Leidenschaft gestaltet. Die Vorstellung seiner Hände bei der Arbeit erzeugte kleine, sinnliche Wellen in ihr, die sie warm durchliefen.
Ihr Telefon vibrierte, und sie registrierte überrascht, dass sie überhaupt Empfang hatte.
Ihr Großvater platzte ohne Vorrede heraus: »Was hast du deinem Vater da erzählt? Natürlich sollst du eine Pause machen! Und dich umsehen! Aber du sollst dabei doch nicht da drüben bleiben!«
»Grandpa, du hast dich doch immer darüber beschwert, dass Dad mich nicht genug von der Welt sehen lässt.« Sie warf einen Seitenblick auf Sylvain und fragte sich, wie viel Englisch er wohl verstand.
»Ich bin zweiundachtzig Jahre alt«, sagte Grandpa Jack
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