Ein sueßes Stueck vom Glueck
der Laptop kam dafür wohl eher infrage. Als sie ihn anschaltete, erschien die Aufforderung zum Log-in. Sie versuchte es mit dem Naheliegenden: admin, Sylvain, Sylvain Marquis, Passwort Schokolade. Nichts davon funktionierte. Wann hatte er doch gleich Geburtstag? Sie würde ihre Rechercheunterlagen zu ihm durchschauen und morgen besser vorbereitet wiederkommen müssen.
Sie mühte sich, die Erregung zu ignorieren, die bei der Vorstellung, morgen wiederzukommen, sämtliche ihrer erogenen Zonen durchschoss.
Sie verweilte noch einen Moment, weil sie sich von diesem sündigen Gefühl der Macht und der süßen Hoffnung auf Gefahr noch nicht trennen mochte, oder von dieser Fantasie des aus dem Schatten tretenden Magiers, die ihr die Tatsache, sich nachts in Sylvain Marquis’ Refugium aufzuhalten, verschaffte. Sie nahm etwas Papier von seinem Schreibtisch und verbrachte lange Zeit damit, all die Gerätschaften aufzulisten, die sie finden konnte, für den Fall, dass die Experten bei Corey Chocolate mehr darüber herausfinden konnten. Aber der Magier trat nicht aus dem Schatten hervor, und so schlüpfte sie schließlich auf demselben Weg hinaus, auf dem sie gekommen war, was sich seltsamerweise enttäuschend anfühlte. Als sie an den Stapeln Schokoladenschachteln vorbeikam, konnte sie nicht anders, als im allerletzten Moment nach einer, zwei, drei, vier davon zu greifen – so vielen, wie sie tragen konnte. Das war nicht ihre Absicht gewesen. Aber sie konnte sich nicht beherrschen. Sie wollte seine Schokolade, und sie wollte am nächsten Tag nicht in seinen Laden kommen müssen und sich selbst dadurch demütigen, dass er sah, wie sie sie kaufte.
Sie scheute sich davor, auch noch eine fünfte zu nehmen, aber nur, weil sie schon vor sich sah, wie sie ihr alle aus den Händen fielen, wenn sie versuchte, die Straße zu überqueren.
Und so schlich sie zurück in ihre Höhle, ihren Turm, mit ihrer Beute, mit der sie es sich schadenfroh gemütlich machen konnte.
11
Das Erste, was Sylvain auffiel, als er am nächsten Morgen die Manufaktur aufschloss, war, dass vier Schachteln Schokolade fehlten. Er hielt verwirrt inne. Er war gestern nach dem Kurs als Letzter gegangen und jetzt der Erste, der wieder hereinkam – irgendetwas passte da nicht zusammen. Pascal und Bernard hatten jeweils einen eigenen Schlüssel und den Sicherheitscode, aber warum sollten sie noch einmal zurückkehren und Schokolade klauen?
»Das ist merkwürdig«, murmelte er.
»Qu’est-ce qu’il y a du bizarre?«, fragte Christophe. Nachdem dieser Food-Blogger seinen Laden über den grünen Klee gelobt hatte, hatte Sylvain ihm einen Besuch im Laboratoire versprochen. Wie es sich bei großem Lob gehörte, bien sûr.
»Es fehlen ein paar von den Schachteln, die wir gestern hergestellt haben.« Sylvain sah sich um, als ob er erwartete, sie an einer anderen Stelle zu entdecken.
»Ein Schokoladendieb?«, fragte Christophe erstaunt. Als die Worte seine Fantasie erreicht hatten, bekam er einen verträumten Gesichtsausdruck. »Ich glaube, ich habe gerade mein drittes Betätigungsfeld entdeckt. Ich stelle mir gerade vor, wie ich jede Nacht in ein Laboratoire einbreche und die feinsten Schokoladen stehle.«
»Um sie zu essen oder für den Schwarzmarkt?«
»Beides natürlich«, seufzte Christophe selig. »Auf dem Schwarzmarkt kann man wahrscheinlich einen Riesenreibach damit machen, sofern man die ganze unredlich erworbene Ware nicht schon vorher aufisst.«
»Na, da müsste der Dieb schon mehr als vier Schachteln entwenden«, sagte Sylvain arrogant. Bisher hatte sich niemand mit nur wenigen seiner Pralinen zufriedengegeben. Nicht seit er sechzehn war.
Vielleicht waren die Schachteln nur … Nur was? Er versuchte nachzudenken. Er war gestern Abend als Letzter aus der Tür gegangen und jetzt der Erste, der den Laden wieder betrat. Wer sollte sie fortgenommen, sie verkauft oder mit nach Hause genommen haben?
Er ging in sein Büro, um seinen Laptop zu überprüfen, der unberührt auf seinem Schreibtisch lag. Oder … er hielt inne.
Ein Schokoladendaumenabdruck. Das war noch nichts Ungewöhnliches. Er hinterließ auf den Papieren auf seinem Schreibtisch oft Fingerabdrücke. Aber dieser Daumenabdruck war viel kleiner als seiner.
Er legte seinen Daumen daneben und betrachtete einen langen, nachdenklichen Moment lang den Unterschied.
Als er wieder in den Hauptraum trat, strich Christophe gerade mit der Hand über die marmornen Arbeitsflächen, sah sich um und
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