Ein sueßes Versprechen
kurz an.
»Gewöhnlich kommen wir bei einer meiner Schwestern zusammen – die eine wohnt in Berkshire, die andere in Oxfordshire.« Sie schaute zurück auf die Felsen. »Ich frage mich, ob es schon geschneit hat.«
»Es ist der fünfzehnte Dezember, es ist also möglich.«
Loretta betrachtete ihn, während er sich neben ihr auf die Reling stützte.
»Du bist doch jahrelang in Indien gewesen – freust du dich auf Schnee und Eis und Weihnachten?«
Er hob die Brauen und dachte nach.
»Ja, schon. Es ist lange her, seit ich Weihnachten mit der Familie gefeiert habe. Der Gedanke an Schnee und Weihnachten weckt Erinnerungen an früher.«
»Du hast doch Geschwister wie ich auch. An Weihnachten – welche Spiele habt ihr früher gespielt?«
So erzählten sie sich gegenseitig Familiengeschichten, bei denen sie viel voneinander erfuhren. Manche verrieten auch fast zu viel, aber wenn sie das bemerkten, so ließen sie sich davon nicht beirren. Sie standen einander in nichts nach, tauschten Geschichten von einer Kindheit in England und weit zurückliegenden Weihnachten aus, während der Rhein sie tiefer und tiefer in den Durchbruch durch das Schiefergebirge trug, durch hohe bewaldete Felswände.
Dann entdeckte Rafe die erste Burg. Entzückt holte Loretta den Reiseführer hervor, den Esme ihr überlassen hatte, und schlug das schmale Buch auf.
Während das Schiff von den Strömungen mal hierhin, mal dorthin geworfen und gezogen wurde, dann weiterschoss, las sie aus dem Buch vor. Unterdessen hielt Rafe weiter nach Burgen Ausschau und suchte mit den Augen die Anhöhen hoch über ihnen nach Türmen und Mauern mit Zinnen ab.
»Sieh nur!« Rafe zeigte hinauf.
»Dort ist die Loreley.«
Loretta blickte zu dem massiven Felsvorsprung hoch oben auf der rechten Uferseite. Und runzelte die Stirn.
»Ich dachte, er wäre … beeindruckender. Bist du sicher, dass es dieser Felsen ist?«
Rafe nickte.
»Julius hat ihn mir beschrieben.«
Sie betrachteten den Felsen, der irgendwie wirkte, als halte er Wache, während das Schiff in einem weiten Bogen herumgesteuert wurde.
»Es muss an der Sage liegen, dass er so bedeutsam ist«, beschloss Loretta. »Ohne dieses Prestige wirkt er doch wenig bemerkenswert.«
In dem Augenblick hielt Julius seinen Kopf aus der mit Fenstern abgeschlossenen Brücke und rief sie.
»Kommen Sie herein.« Er winkte. »Hier nach oben. Der nächste Abschnitt ist sehr gefährlich.«
Sich an der Reling festhaltend, folgten sie der Aufforderung und gingen schnell zu der Brücke, stiegen die wenigen Stufen empor und fanden Julius am Steuerrad in der Mitte, während zwei seiner Männer zu beiden Seiten an den vordersten Ecken des Aufbaus auf den Fluss schauten.
»Festhalten«, schrie Julius, ohne den Blick von dem Fluss vor ihnen zu nehmen.
Rafe stützte sich auf ein Fensterbrett und schaute nach vorn und sah, dass die Wasseroberfläche sich kräuselte und Blasen zu werfen schien. Obwohl das Wasser zu beiden Seiten glatter aussah, steuerte Julius das Schiff in die gefährlicher aussehende Strömung.
Der Schiffsrumpf hob sich. Lorettas Hand rutschte von dem Türgriff. Bevor sie stürzen konnte, schlang ihr Rafe einen Arm um die Mitte, zog sie an seine Brust und hielt sie dort fest, während das Schiff bockte, geschüttelt wurde und dann einen Satz nach vorn machte.
»Der Kanal zwischen den Felsen hier ist für Schiffe sehr schmal«, rief Julius ihnen zu. »Das ist der gefährlichste Streckenabschnitt auf dem Rhein.« Abrupt riss er das Steuerrad herum, richtete das Schiff wieder aus, dann deutete einer der Männer auf etwas und schrie, und Julius drehte das Steuerrad in die andere Richtung.
Mit ihm am Steuer bockte die Loreley Regina zwar, blieb aber auf dem gewünschten Kurs und wurde immer weiter getragen.
»Glücklicherweise«, fuhr Julius fort, »ist die Durchfahrt schnell und daher auch rasch vorüber. Es dauert nicht lange.«
Das war ihr auch recht. Loretta war dankbar für kleine Gnaden. Und auch für Rafes Arm um sie herum. Sie entspannte sich und ließ sich gegen ihn sinken, sicher in dem Wissen, dass er stark genug war, sie zu halten, und das auch tun würde, selbst wenn ihr die Füße weggerissen wurden.
Die Wärme, die durch seinen Rock und ihren Umhang drang, war ebenfalls beruhigend.
Angenehm und beschwichtigend.
Die Loreley Regina wurde langsamer, eine Minute später fuhr das Schiff wieder ruhig durch die Wasser des Rheins.
Sie bedankten sich bei Julius, der nur grinste und salutierte,
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