Ein sueßes Versprechen
habe.«
»Ja, natürlich.« Loretta bog in den Salon ab, während Esme mit einem Winken zu Rafe langsam die Stufen zu ihrer Kabine hinunterstieg.
Die Nacht lag schwer auf dem Schiff. Nur Hassan war wach und hielt auf dem Aussichtsdeck Wache. Rafe wartete und schaute zu, wie Loretta im schwachen Licht einer Lampe im Salon einen kleinen Schluck Brandy einschenkte, dann die Karaffe wieder verschloss und sie ins Regal zurückstellte.
Sie hatte ihren Umhang noch um, und ihr Retikül hing an ihrem Handgelenk, während sie das Glas vorsichtig nahm und um die Theke herumging.
Er stand am Ende der Bar.
Als sie bei ihm ankam, blieb sie stehen.
Loretta sah ihn in den Schatten an. Sie konnte nicht genau sagen, was sich zwischen ihnen geändert hatte, aber etwas hatte sich eindeutig geändert. Ohne den Drang lange zu hinterfragen, ohne ihre Gründe zu erkunden, hob sie ihre freie Hand, legte sie auf seine schmale Wange, dann reckte sie sich und küsste ihn auf den Mund.
Ganz zart, und sie ließ sich Zeit, machte es auf ihre Weise. Dann löste sie sich von ihm und verzog die Lippen zu einem Lächeln.
»Danke, dass Sie mich gerettet haben.«
Er erwiderte ihren Blick wortlos und hob eine Braue.
»Was ist damit, Ihnen zu zeigen, dass Sie ganz wunderbar tanzen können?«
Ihr Lächeln vertiefte sich.
»Das hatte ich ganz vergessen.«
Er griff nach ihr, und sie kam ihm entgegen, bot ihm ihre Lippen und öffnete sie, ließ ihn ein.
Ließ zu, dass er ihren Mund, ihre Lippen erkundete, für sich forderte. Sie bemühte sich nicht, ihre Sinne beisammenzuhalten, sondern überließ es ihnen, seiner Führung zu folgen, zu forschen und zu lernen, zu kosten und zu genießen.
Der Austausch zog sich in die Länge, dauerte länger, wurde intensiver.
Wurde zu dem gedämpften Hunger langsam angefachten Verlangens. Von beherrschtem, aber dennoch beherrschendem Verlangen.
Rafe schloss seine Hand um ihr Handgelenk, an dem ihr Retikül hing, die Hand, in der sie das Glas Brandy hielt, und half ihr, dass es nicht wackelte.
Während sie spielten.
Während sie mit Lippen und Zungen und der Hitze ihres Mundes miteinander kommunizierten.
Er war erfahren genug, es nicht zu weit gehen zu lassen, nicht zuzulassen, dass ein Funke das Verlangen zu einem unkontrollierten Feuer anfachte.
Er löste sich von ihr, zögernd, widerstrebend – aber es musste sein. Denn er wusste genau, weder sie noch er hatten bislang die Entscheidung getroffen, einen Schritt weiter zu gehen.
Mit einem unverhohlen sinnlichen Seufzen stellte sie sich wieder hin. Sie öffnete die Augen und sah ihn an, dann lächelte sie langsam.
Er umfing ihre Hand, die immer noch auf seiner Wange lag, und wandte den Kopf. Ohne sie aus den Augen zu lassen, drückte er seine Lippen auf ihre Handfläche, sah, wie ihre Augen sich weiteten. Er ließ sie los, zwang sich, einen Schritt zurückzugehen.
Langsam ließ sie ihre Hand sinken und starrte ihn einen Moment an, bevor sie sich immer noch lächelnd abwandte.
»Gute Nacht.«
Er antwortete nicht, blieb einfach nur stehen, wo er war, und beobachtete, wie sie die Stufen hinunterging.
Als er hörte, wie die Tür der Luxuskabine ins Schloss gezogen wurde, gelang es ihm endlich, wieder Luft zu holen. Er schaute sich um, überlegte dabei, dann begab er sich auf das Aussichtsdeck.
Er würde heute Nacht ohnehin keinen Schlaf finden, daher konnte er genauso gut Hassan ablösen.
Kapitel 6
3. Dezember 1822
Rafe blieb auf dem Aussichtsdeck, bis die Uray Princep auf den Fluss hinausglitt und unter Segeln und unterstützt von Ruderschlägen nach Westen stromaufwärts auf die Donau fuhr. Zu seiner Erleichterung tauchte niemand, der nach Sektenanhänger aussah, am Kai auf. Und er sah auch keine entlang des Ufers.
Sobald sie Wien hinter sich gelassen hatten, ging er unter Deck. Selbst wenn sie daran gedacht hätten, konnte er es verstehen, wenn der Kult sich die Mühe gespart hatte, den Fluss zu überwachen. Sie würden davon ausgehen, dass ein Kurier mit einem derart wichtigen Dokument versuchen würde, so schnell wie möglich sein Ziel zu erreichen. Auf der Donau zu reisen dauerte viel länger als die Route über Land. Dass er sich dafür entscheiden könnte, sich gemütlich treiben zu lassen, dass er einem Zeitplan folgte, der nicht darauf abzielte, so schnell wie möglich England zu erreichen, würde ihnen nicht einfallen.
Daher waren sie – für den Augenblick jedenfalls – auf dem Fluss in Sicherheit. Er ließ sich in seine Koje fallen
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