Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
Vom Netzwerk:
fragte Sol. Er griff in die angespannte Situation ein, während er gleichzeitig Mai mit einem Lächeln zu verstehen gab, dass sie nichts Falsches tat und er sich nur vergewissern wollte.
    Er macht das gut, dachte Bryony. Sie hatte nun begriffen, wieso er dabei war. Er hatte Gründe, weshalb er tat, was er tat, die immer deutlicher wurden.
    »Nein, nein, überhaupt nicht. Was wolltest du fragen?« Sharon blickte Mai direkt in die Augen, im Gesicht einen ängstlichen Ausdruck. Sie alle stellten sich ihren Dämonen, und das war oft nicht angenehm. Bryony merkte es ihnen an den Augen an.
    »Ja, also, ich wollte dich fragen, ob du glaubst, dass du dich besser fühlst, wenn du ihm vergibst.« Mais Unterlippe zitterte leicht, als hätte sie Angst vor dem, was Sharon vielleicht erwidern könnte.
    »Ja«, sagte Sharon langsam. »In letzter Zeit denke ich immer mehr, dass es so ist. Ich kann für mich keinen Frieden finden, ohne dass ich ihm vergebe. Ich muss nur noch herausfinden, wie ich das machen soll   – mir kommt es vor, als fehlte mir noch ein großes Stück in dem Prozess, mit der ganzen Sache fertigzuwerden, und es kann gut sein, dass es das ist.«
    »Was ist mit dir, Mel?«
    Bryony blickte weiter auf den Boden, ganz in Gedanken versunken.
    »Mel?«
    Sie dachte   … sie sann darüber nach, wie sich dies alles auf sie und ihre Lage auswirkte. Sie wusste nicht einmal, wer   …
    »Mel? Alles in Ordnung?«
    Verdammt. Sie sprachen mit ihr. Sie kehrte in die Gegenwart zurück. »Entschuldigung, ich war ganz in Gedanken   …«
    Die Frage kam von Dave, dem Mechaniker. Wie sich herausstellte, hatte er seine Frau verloren. Sie wurde von einem Polizeiwagen überfahren, der auf einen Notruf reagierte. Er wiederholte seine Frage. »Könntest du der Person vergeben, die deinen Freund ermordet hat?«, fragte er mit gerunzelter Stirn und sah Bryony in die Augen.
    Trost suchend fuhr sie sich unbewusst durchs Haar   – sie trug es lose, damit sie damit spielen konnte. Die weichen Strähnen rannen ihr wie Wasser zwischen den Fingern hindurch. Sie stellte sich einen Mann vor, der vor ihr stand, den Mann, der Max ermordet hatte. Er konnte weiß sein, schwarz, asiatisch; jung, alt, blond, dunkel. Bryony wollte nur eins: ihm das Gesicht zerkratzen und sich immer tiefer in seinen Körper krallen, bis er Schmerz empfand. Bis er weinte, wie sie geweint hatte. Wie soll ich das nur   …
    »Ich weiß überhaupt nicht, wer es war«, sagte Bryony, während ihre Finger am Ende einer Haarsträhne mehrere Knoten ertasteten.
    »Was, echt? Wurde der Mörd…   – äh, die Person denn nicht festgenommen?«, fragte Dave.
    Bryony schüttelte den Kopf. »Doch, schon. Ich will nicht wissen, wer es war. Ich will nicht wissen, wie er aussah, ich will die Person nicht kennen, die meinen Freund ermordet hat. Es ist   … für mich so einfacher.« Sie nickte gelassen. In ihrem Innern jedoch tobte ein Sturm. Ihr Herz schlug schneller, und ihr wurde schwindlig. Die Gesichter der anderen wurden unscharf und wieder schärfer, als wäre sie auf einem Karussell. Sie hasste es, über diese Seite der Angelegenheit zu sprechen. Es machte ihr Angst. Sie spürte ihren heftigen Puls am Hals. »Ja   …« Bryony fehlten die Worte. »Hört mal zu, ich muss jetzt gehen; ich habeeinen Arzttermin«, sagte Bryony mit geheucheltem Optimismus, stand auf und griff nach ihrer Tasche. Ihr Inhalt klapperte laut, als Bryony sie aufhob.
    »Wirklich, Mel? Bist du sicher, dass es dir gut geht?«, fragte Sol und erhob sich, während Bryony um ihren Stuhl herumging. Es drehte sich immer schneller um sie. Teetassen. Geisterbahnen. Ein Riesenrad. Sie sah nichts mehr.
    »Ja. Ja. Das ist nur eine Routineuntersuchung, weißt du, ein Check-up, mit Blutbild und so weiter   …«, sagte Bryony. Sie verließ den Raum und folgte dem Gang, so schnell sie konnte. Sie redete noch immer, als sie die große Flügeltür durchschritt, die zur Straße führte.
    Sie ging zur Bushaltestelle und setzte sich auf die rote Plastikbank. Als sie sich dort niedergelassen hatte, stellte sie Max eine Frage. Sie hoffte, dass er sie irgendwie hörte und ihr eine Antwort gab.
    »Wie kann ich es besser machen?«

32
    … er versuchte, mit Gott zu sprechen.

    Donnerstag, 23. Juli 2009
    Flügel A, Gefängnis High Elm, Südwest-London
    23 Uhr 30
    Keon hatte noch immer nichts von seiner Mutter oder seiner Schwester gehört.
    Er saß nun bereits seit einigen Monaten hinter Gittern. Ihn machte es traurig, dass

Weitere Kostenlose Bücher