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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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brauchte sie nur eine halbe Stunde. Im Bus saßen die üblichen Verdächtigen: gut aussehende Männer in Anzügen zwischen derben Bauarbeitern und Elektrikern in altgedientenOveralls; wunderschön gekleidete Geschäftsfrauen und junge Mädchen in zerrissenen Jeans und Turnschuhen von Converse.
    Rachel blickte auf ihre Hände, die sie um die leuchtend gelbe Haltestange in der Linie 38 geschlossen hatte. Ihre Nägel waren in einem wütenden Schwarz lackiert, und sie trug ein T-Shirt mit einem alten Album-Cover von The Who in verblasstem Grau, während ihre muskulösen Beine sich in engen Jeans verbargen. Dass sie eine der angesagtesten Jungballerinas des Landes war, konnte man höchstens an ihrem Schwanenhals und ihrer anmutigen Haltung erkennen. Das dichte blonde Haar hatte sie zu einem Pferdeschwarz zurückgebunden: ein sauberer, ordentlicher Look.
    Sie fragte sich, wohin sie gehörte in dieser verrückten Stadt, in der alles reglementiert zu sein schien, wo eine feste Gesellschaftsordnung zu bestehen schien. Trotzdem musste es Menschen wie sie geben, die einfach anders waren   … Menschen, die nicht jeden Tag in ein Büro schlurften, Menschen, deren Familienverhältnisse ebenfalls durcheinander und kompliziert waren.
    Dreimal klopfte sie leise an die Tür.
    Lisa öffnete. Sie trug ihre blaue Dienstkleidung als Pflegerin und schien mehr Falten unter den Augen zu haben als bei ihrem letzten Treffen vor einigen Wochen im Café Asda. Rachel kam es fast so vor, als sammelte Lisa die Falten wie andere Leute Briefmarken; sie zeigten, was sie erlebt und was sie dabei empfunden hatte.
    »Ach, hallo, Liebes, alles gut?«, fragte Lisa. Sie wirkte überrascht, aber gleichzeitig auch zufrieden, eine ungewöhnliche Fähigkeit, die nur sie zu beherrschen schien, ohne damit Anstoß zu erregen.
    »Eigentlich nicht«, antwortete Rachel. »Ich müsste ein paarTage bei dir bleiben. Ist das okay?« Sie platzte damit heraus und hielt dabei den Griff der Reisetasche in verschwitzten Händen, während ihr Herzschlag galoppierte.
    »Na ja, sicher   … Pass auf, ich muss jetzt zur Arbeit, aber komm ruhig herein, Liebes.«
    Rachel war gerührt und wusste sofort, dass sie wirklich willkommen war. Diese Wohnung, so unkonventionell und anders als ihre alte Welt sie auch sein mochte, war ein Ort, wo sie sich wirklich zu Hause fühlen konnte, bis sie auf eigenen Beinen stand.
    Sie ging hinein, ins Wohnzimmer, und ihre Augen tränten von dem Zigarettenrauch, der den Raum in einen Sepiaton tauchte. Überall lagen Spielzeuge und Kleidungsstücke. Sie atmete tief und traurig durch und schüttelte sich die Schuhe von den Füßen.

35
    »Was um alles in der Welt soll das?«

    Sonntag, 15. August 2009
    Shoreditch, Ost-London
    19 Uhr 30
    Der Tag war sengend heiß gewesen. Aus den Bars in jeder Straße drang das übliche aufgeregte Gemurmel und legte sich über die Stadt.
    Adam wischte sich die verschwitzten Hände an der schwarzen Jeans ab und folgte Bryony in den Pub. An den Wänden hingen übertrieben coole Kunstwerke mit bunten Linien, die an die Netzpläne der Londoner U-Bahn erinnerten. Jeder, der ins Book Club in Shoreditch ging, war verzweifelt darauf bedacht, trendy zu sein. Adam musterte die Menge und registrierte die Brillen mit den dicken Gestellen, die eleganten Frisuren und geheimnisvollen Tattoos. Wieder befiel ihn das vertraute Gefühl, nie wirklich dazuzugehören.
    Er richtete seine Aufmerksamkeit auf Bryony, die nun an der Theke lehnte. Sie hatte sich das lange Haar zu einem legeren Pferdeschwanz an der Seite gebunden und trug eine Halskette verkehrt herum. Sie glitzerte an ihrem Rückgrat im Licht.
    Ein paar andere Männer in der Bar sahen zu Bryony herüber, und Adam lächelte still. Sie ist eben so ein Mädchen, dachte er. Die Sorte, wegen der Männer ihre Freunde heimlich anstießen und sie auf sie aufmerksam machten. Adam konnte es ihnennicht verübeln, und wenn sie ausgingen, amüsierte er sich oft über die Wirkung, die Bryony hatte.
    Adam bezahlte die erste Runde: einen großen Weißwein für Bryony und ein Corona für sich. Die Kellnerin quetschte eine Zitronenscheibe durch den Flaschenhals, die durstig in die perlende Flüssigkeit fiel.
    Bryony saß ihm an einem Tisch gegenüber, der mit seiner dicken, schartigen Platte an die Arbeitsbank eines Künstlers erinnerte, strich mit den Fingern über den Stiel ihres Weinglases und musterte die Eiswürfel. Normalerweise lief das Gespräch zwischen ihnen ungezwungen und flüssig,

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