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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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Verzweiflung, und sein Eifer fiel von ihm ab. Bryony sah nun nur allzu deutlich, dass er, sobald er von seiner Kiste stieg, nur ein Schatten seiner selbst war, ein zurechtgestutzter Tyrann.
    »Er ist tot! Er ist mausetot, okay? Und Sie haben die Frechheit, mir so blöd zu kommen und Kippen, Kaugummi und Scheiß sprudel von mir zu schnorren?«
    Sie atmete tief und schnell, ihre Hände zitterten, als er sich an der Säule hinuntergleiten ließ, bis er mit dem Hintern die kalten Pflastersteine berührte. Er kniete jetzt fast vor ihr.
    »Es tut mir leid. Es tut mir leid, okay?« Tränen stiegen ihm in die Augen, und sein Gesicht zeigte nur noch kindliche Verletzlichkeit.
    Bryony spürte eine Hand im Rücken. Sie schüttelte sie heftig ab, ohne nach hinten zu blicken und zu sehen, wem sie gehörte. Sie hoffte, sie gehörte Max. Sie hoffte, sie hätte das letzte halbe Jahr nur geträumt, und plötzlich stünde Max hinter ihr, gut aussehend wie immer und gut gekleidet, duftend nach seinem gewohnten würzigen Aftershave, bereit, sie irgendwohin zu bringen, wo es sicher war, wo er ihr auf die Stirn küssen würde, bis sie aufhörte zu weinen.
    Die Hand berührte sie an der Schulter. Sie fühlte sich warm an.
    »Mel?«
    Sie achtete nicht auf die Stimme der Frau hinter ihr und starrte auf den Mann, ohne etwas zu sehen.
    »Mel, Liebes. Beruhige dich«, sagte die Frau. Ihre Beharrlichkeit drang in Bryonys Bewusstsein vor und zwang sie, sich umzudrehen. Plötzlich erinnerte sich Bryony, wer Mel war. Sie war es, die Person, die sie in Sharons Gegenwart sein sollte, und Sharon war es, die sie nun bestürzt ansah und ihre Arme rieb, um sie zu beruhigen.
    Bryony blickte beschämt zu Boden, während der Mann, noch immer erschüttert von dem Zusammenstoß, sich aufrappelte und zu seiner Kiste zurückeilte.
    »Liebes, was war denn los?«, fragte Sharon. Ihre dunkle Haut sah reiner aus denn je und hob sich von der babyblauen Trainingsjacke und der Silberkette um ihren Hals ab.
    Die Gaffer begannen sich zu zerstreuen. Das Grinsen war ihnen schon vergangen und zu amüsierter Verwirrung geschmolzen.
    »Gott, es tut mir so leid«, sagte Bryony, blickte mit tränenden Augen auf und machte eine Geste zu den übrigen Zuschauern, dass sie weitergehen sollten. Zu gucken aufhören. Und zu zeigen. Zu starren. Zu verurteilen.
    »Komm mit«, sagte Sharon, legte einen Arm um sie und brachte Bryony zu einem kleinen Pub in der Nähe.
    Während Sharon zur Theke ging, ließ sich Bryony an einem Fenstertisch in einen großen Ledersessel sinken. Sie merkte, wiedie ganze Anspannung plötzlich aus ihr herauslief, zur Tür hinaussickerte und in die frische Herbstluft verschwand. Sie konnte so nicht mehr weitermachen. Sie konnte nicht ihre Existenz fortsetzen, so tun, als wäre alles okay, und dann in der Öffentlichkeit ausrasten, eine Zuschauermenge anlocken, die entsetzt ihre qualvollen Zusammenbrüche beobachtete, bei denen sie nackt und bloß dastand.
    Einen Augenblick lang dachte sie an Adam und fragte sich, was er empfunden hatte, als er sie so verloren in der Wut der Tragödie erlebte. Welch ein himmelweiter Unterschied zu dem Glück, das sie mit ihm erlebte, wenn sie zusammen DVD s anschauten und sich riesige Schüsseln voll Chips teilten. War er enttäuscht von ihr? Sogar wütend auf sie? Würde sie ihn irgendwann langweilen und frustrieren, würde er den Kontakt zu ihr abbrechen?
    Seit er versucht hatte, sie in der Bar zu küssen, hatten sie einander nicht mehr gesehen. Sie hatte ihm gesagt, sie brauche etwas Abstand, und doch konnte sie noch immer nicht fassen, dass er sie in diese Position gebracht hatte. Sie hatte geglaubt, ihre Gefühle deutlich gemacht zu haben, doch andererseits konnte sie ihm keine Vorwürfe machen; sie war nicht gerade ehrlich zu ihm gewesen. Über sie gab es noch immer so viel zu wissen, wovon er nichts ahnte.
    Nach ungefähr fünf Minuten Schlangestehen kam Sharon mit zwei Cola light an den Tisch. Bryony starrte in ihr Glas, während die Bläschen nach oben perlten. Eine kleine Zitronenscheibe tanzte in den dunklen Tiefen und streifte gegen die glasigen Eiswürfel.
    »Was ist denn da passiert?«, fragte Sharon und trank etwas.
    »Es tut mir leid   … dieser blöde Kerl schrie sich auf dem Platz die Lunge aus dem Leib, dann kam er aus irgendeinem Grund zu mir. Es hat mir nichts ausgemacht, bis er anfing, mich miteinem Freund aufzuziehen, und ich bin ausgeflippt. Mal wieder.« Bryony verstummte, suchte in ihrer Tasche und

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