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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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Hauptplatz von Covent Garden verabredet. Während Bryony wartete, streifte sie mit ihrem Blick einen schmalen, älteren Mann mit wild verfilztem Haar und Gummistiefeln, der auf einer angeschlagenen Kiste standund auf die Passanten eine Tirade niedergehen ließ, die für Bryony aus absolutem Blödsinn über Konsumterror, Designermarken und dem Ende bestand. Die Kauflustigen erschraken und eilten rasch weiter, wenn sie laute Beschimpfungen über die Tragetaschen in ihren Händen ernteten und ihnen vorgeworfen wurde, dass sie eine Gesellschaft nährten, die bald implodieren würde, und zwar dramatisch und blutig   – seiner Meinung nach.
    Bryony nieste unvermittelt, und als sie sich die Nase putzte, sah sie dem Alten unbeabsichtigt in die Augen. Der Mann warf die Fäuste in die Luft und offenbarte große klaffende Löcher in den Achselhöhlen seines grünen T-Shirts.
    »Du! Du da drüben!« Der Mann zeigte auf sie, stieg von der Kiste und drängte sich durch die Menge. Ein paar Teenager, die stehengeblieben waren, um ihn zu beobachten und hinter vorgehaltener Hand über ihn zu kichern, zeigten auf ihn, gespannt, was als Nächstes geschehen würde.
    Bryony lehnte sich an die Ziegelwand in ihrem Rücken und stellte die Füße so, dass sie in dem zu erwartenden Anschwall der Kritik bequemer stehen würde. Sie nahm an, dass der Alte sie ausgesucht hatte, weil sie sich heute herausgeputzt hatte und darum recht anspruchsvoll aussah. Die Sorte junger Frau, die ihre Samstage damit verbrachte, mit einer Kreditkarte und ihrem scheinbar unlimitierten Limit in Westfield von Geschäft zu Geschäft zu ziehen, ohne über die Zukunft oder die Folgen ihres Tuns nachzudenken. Bryony brauchte einen solchen Vortrag nicht; sie war nicht in Stimmung dafür. Und sie war es leid, offenbar andauernd unerwünscht Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen: In Comedy-Clubs machten höhnische Komiker stets Bryony zur Zielscheibe, sodass sie sich still auf die nächste Toilette zurückzog, und Betrunkene setzten sich in der Bahn stets neben sie.
    Sie blickte auf ihre enge dunkelblaue Jeans und die Halbstiefel, die ihre Mutter ihr gekauft hatte, um sie aufzuheitern. Die schwarze Lederjacke aus einer teuren Boutique hatte Max ihr zum fünfundzwanzigsten Geburtstag geschenkt. Sie war zeitlos wie Bryonys Erinnerungen an ihn, doch sie hätte sie ohne nachzudenken gegen nur einen einzigen Augenblick mit ihm eingetauscht.
    Alles schien zu verstummen, während der Alte sich durch die Menge schob, wie in einem auf Zeitlupe gestellten Film. Er drängte Menschen aus dem Weg, um näher zu Bryony vorzudringen, und ließ die Kiste zurück, auf der er gestanden hatte.
    Sie spürte Tränen in den Augen, die ihr gekommen waren, als Max wiederkehrte und ihre Gedanken beherrschte, und nur verschwommen erkannte sie den seltsamen Kerl, der nun vor ihr stand. Er war so nahe, dass die Spitze seiner schmutzigen Nase die ihre, rosa und rein, erst vor wenigen Stunden mit Clinique abgerieben, fast berührte.
    »Gib mal ’ne Kippe«, verlangte er.
    »Nein, tut mir leid. Rauchen ist ungesund«, entgegnete sie dumpf.
    »Ein Sandwich?«
    »Nein.«
    »Kaugummi? Gib mir wenigstens ein Scheiß-Kaugummi.«
    »Habe ich auch nicht.«
    »Chips?«
    »Nein.
    »Sprudel?«
    Bryony spürte förmlich, wie ihr der Kragen platzte. »Nein!«, schrie sie und hob frustriert die Arme in die Luft.
    »Schon gut, keine Panik. Brauchst mir nicht gleich deinen Freund auf den Hals zu hetzen«, erwiderte der Mann und wies auf einen jungen Mann, der in ihre Richtung ging und interessiert zuschaute, aber nichts mit ihr zu tun hatte.
    Als sie das hörte, riss Bryony der Geduldsfaden, der letzte, straff gespannte Faden, der ihre Gefühle tief in ihr gehalten hatte. »Wie können Sie es wagen?«, schrie sie ihn an, stieß ihm mit den Fingern vor die Brust. Von den Passanten, die im Vorübergehen einen Blick auf das Geschehen warfen, stieg aufgeregtes Keuchen auf.
    »Wie kann ich was wagen?«, brüllte er sie an, und sein schlechter Atem trieb in ihren Luftraum.
    »Wie können Sie es wagen, mich anzuquatschen und so einen Mist über meinen Freund zu sagen? Ich habe keinen Scheißfreund mehr, klar? Und wollen Sie auch wissen, was mit ihm passiert ist? Ja?«, schrie sie und drängte ihn gegen eine schlanke Säule zurück. Dutzende sahen jetzt zu, mit entsetzten Gesichtern, schwiegen aber, während das Drama seinen Lauf nahm.
    »Hör mal, lass gut sein, okay?«, bat der Mann und wich zurück. In seinem Gesicht stand

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