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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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ersten Geburtstag und schauderte bei dem Gedanken, wie schnell die Zeit verstrichen war und wie fern sie sich der jungen Frau fühlte, die sie ihre Tochter nannte.
    »Aber das ist ja schrecklich, Liebes«, sagte sie, streute sich selbst etwas Salz aufs Essen und ruinierte damit den Versuch, ein Beispiel zu geben. »Hat er es wenigstens wiedergutgemacht?«
    »Ja   – er hat mir eine Kette von Disaya gekauft, aber ich habe sie ihm ins Gesicht geworfen und die Tür hinter mir zugeknallt. Seitdem haben wir nicht mehr gesprochen.« Sie sprach mit unbewegter Miene, als wäre es keine große Sache.
    Wie viele Mütter war Rita nicht gerade entzückt über die Partnerwahl ihrer Tochter, doch einer Dreiundzwanzigjährigen konnte sie dabei kaum hineinreden. Richard war ein Stand-up-Comedian, ein Hipster-Typ mit einer riesigen dicken Brille und immer den modischsten Preppy-Klamotten, die ihn zu einer Stilikone machten, einem Teil der Geek-Chic-Welle, die gerade so in war. Seine Karriere hatte vor drei Jahren mit einem großen Knall begonnen: Besprechungen im Guardian, Fotos in Time Out und opulente Partys. Er war das junge, frische Gesicht der britischen Comedy, und die Medien hatten sich an ihn gehängt, wie es sich ein Comedian nur wünschen konnte. Doch mittlerweile sah es bei ihm nicht mehr ganz so lustig aus.
    Er war der Sohn eines reichen Investmentbankers und hatte ohnehin finanziell ausgesorgt. Das hatte ihm erlaubt, seine Comedy-Karriere voranzutreiben und sich sogar einen respektablen Agenten zu verschaffen. Nur war ihm die finanzielle Sicherheit und der plötzliche Aufstieg zum Ruhm nicht gut bekommen; er hatte der Trinkerei, den Drogen und dem Die-Nächte-Durchmachen nicht widerstehen können. In den vergangenen zwölf Monaten war er immer tiefer in Schwierigkeiten geraten, und das schlug sich in seiner Arbeit nieder: den vielen wichtigen Besprechungen und Auftritte, zu denen er zuspät kam, und dem neuen Material, das sich bleiern über unruhige, unbeeindruckte Zuhörer legte.
    Seine Krise sprach sich herum. Zunächst hatte niemand etwas in der Hand, mit dem man an die Öffentlichkeit gehen konnte, doch die Presse stand schon bereit und lauerte auf einen Skandal. Beobachtete alles genau. Kritiker hatten seinen letzten Auftritt in einem kleinen Comedy-Club in Camden verrissen. Er war betrunken auf die Bühne gekommen, und jeder, der auf seinen Fall aus den schwindelerregenden Höhen des Erfolgs gewartet hatte, wurde für seine Geduld belohnt. Die Presse bekam ihre Schlagzeilen.
    Sein Agent hatte ihm geraten, das Beste aus der Situation zu machen und zu versuchen, alles wieder auf Spur zu bringen, aber er musste jetzt vorsichtig sein, so viel wusste Rita.
    »Na, das ist ja sehr edel von dir. Ich hätte die Kette behalten und dann die Tür zugeknallt«, sagte sie kichernd und stand auf, um den Tisch abzuräumen; ihre Armreifen klirrten aneinander. Es dauerte nicht lange, und sie kehrte mit dem Nachtisch zurück: zwei bescheidenen Häufchen aus frischem Obst auf dunkelblauen Tellern.
    Simba, der Familienkater, marschierte selbstbewusst auf den Tisch zu. Rachel warf dem Tier eine Weintraube zu, doch er schenkte ihr kein Interesse.
    Rita musterte ihre Tochter, die wieder auf den Teller stierte, und entschied sich zu einem Themenwechsel. »Für die Zulassungsstelle brauchen wir eine Kopie deines Führerscheins«, sagte sie.
    Rachel stocherte mit der Gabel im Obst und jagte ein Stück Melone bis zum Tellerrand, aber es gelang ihr nicht, es aufzuspießen. Der Führerschein war ihr völlig gleichgültig; ihr gefiel es gut, sich in Taxis herumkutschieren zu lassen, die ihre Balletttruppe bezahlte. Sie war nicht im Mindesten an einem Auto interessiert, das sie selbst lenken musste.
    »Hör bitte auf, in deinem Essen zu stochern. Entweder isst du es, oder du lässt es stehen.«
    Rachel setzte sich plötzlich gerade. »Verfluchte Scheiße noch mal, Mum, kannst du mich nicht mal für eine Sekunde in Ruhe lassen?«, brüllte sie, stand auf und stürmte hinüber in das große Wohnzimmer. Stoßweise atmend schaltete sie durch die Kanäle. Tränen standen ihr in den Augen.
    Sie war müde und ausgepowert   – sie war sogar erschöpft. Das Training war sehr intensiv gewesen. Sie hatte Schmerzen gehabt, hatte geschwitzt und sogar geblutet, bis sie das Gefühl hatte, sie könnte nichts mehr geben. Und jeder Anruf hatte ihr Herz zum Pochen gebracht, weil es der Anruf sein konnte, der Anruf, der über ihre Zukunft entschied.
    Der große

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