Ein Tag im Maerz
dicken cremefarbenen Teppich versanken ihre Slipper wie in Treibsand.
Rachel spitzte gespannt die Ohren. Wer konnte es sein? Sie hatten kein Auto gehört. Sie brauchte allerdings gar nicht angestrengt zu lauschen.
»Baby! Komm doch bitte raus!«, vernahm sie eine hohe männliche Oberklassenstimme. Eine Stimme, deren Besitzer eindeutig die Anweisungen von Rachels Mutter missachtete.
Die Stimme gehörte Richard.
Rachel hörte gedämpft, wie ihre Mutter versuchte, ihn abzuweisen; sie verstand Wendungen wie: »Es passt gerade nicht gut« und »Könnten Sie morgen wiederkommen?«, die durch den Flur hallten.
Dass Richard ihre Mutter derart unhöflich überging, machte Rachel wütend. Es war peinlich, und er goss damit Öl ins Feuer. Noch mehr Grund für ihre Mutter, mit den Augen zu rollen, sobald sein Name fiel. Noch mehr Grund für ihre Freundinnen, gut aussehende, ungebundene junge Männer zu ihren Partys einzuladen und sie in Rachels Richtung zu schubsen.
Sie stand vom Sofa auf, durchquerte das Wohnzimmer und trat in die Halle. Ihre Fußballen schmerzten noch immer von den fünf Stunden Training im Studio. Und da stand Richard in einem klassischen Cardigan im Universitätsstil und einer beigefarbenen Cargohose und hielt einen Riesenstrauß Rosen von so strahlendem Rot, dass die ganze restliche Welt für einen Moment lang schwarz-weiß wirkte.
Bei diesem Anblick schmolz Rachel innerlich ein wenig dahin, doch sie spürte noch immer den Dorn ihrer Wut. Richard konnte Rachel zur Weißglut bringen. Er war unzuverlässig, faul und launisch, aber zugleich so lustig, gut aussehend und leidenschaftlich, dass es ihr sehr schwerfiel, ihn so lange zappeln zu lassen. In ihrem Innersten wusste sie, dass er verwöhnt und nicht immer der Mann war, für den sie ihn gehalten hatte, als sie einander kennenlernten. Bei den Anlässen, die für Rachel am wichtigsten waren, hatte er sich als nutzlos und selbstsüchtig erwiesen: bei Presseempfängen, teuren Diners mit Theaterensembles und Cocktails mit Regisseuren. Sie waren füreinander die maximal gefährliche Kombination, aber sie konnten nicht viel Zeit ohne den anderen verbringen, nicht einmal nach einem Streit, bei dem es rauchte.
»Schon okay, Mum, ich rede jetzt mit ihm«, sagte sie und sah ihre Mutter entschuldigend an.
Rita warf die Arme in die Luft und stürmte in die Küche.
»Was willst du?«, fuhr Rachel ihn an. Sie krümmte die Zehen um die Kante der Türmatte und wurde sich plötzlich allzu sehr ihres aufgedunsenen Gesichts bewusst, der sichtbaren Spuren, dass sie erst vor wenigen Minuten geweint hatte – und sie hasste die Vorstellung, er könnte sich einbilden, er wäre der Grund.
»Hör mal, Rachey … ich weiß, ich weiß, ich weiß … Ich bin der größte Idiot, der herumläuft, okay? Die Sache mit deinem Geburtstag – dafür gibt es keine Entschuldigung. Ich weiß es ja … Ich war nur so furchtbar beschäftigt mit meinem nächsten Auftritt. Komm schon – du weißt doch, wie es ist, oder?« Er zog einen Schmollmund, schielte leicht und schob den Bauch vor, die Füße nach innen gedreht wie die einer Taube.
Manchmal reizte er sie bis aufs Blut. Was sie vor sich sah, war eine seiner populärsten Posen auf der Bühne, nur war sie auch ein wenig abgenutzt. Als Rachel ihn bei der Präsentationsfeier eines neuen Magazins vor zweieinhalb Jahren zum ersten Mal so gesehen hatte, waren ihr vor Lachen die Tränen in die Augen gestiegen, aber jetzt wollte sie ihn nur noch ohrfeigen und zuschauen, was genau dann mit seiner Pose geschah – denn er setzte sie jedes Mal ein, wenn das Eis für ihn dünn wurde.
Aber sie konnte es nicht.
»Würdest du einfach mal herkommen … bitte?« Er breitete die Arme aus und sah drein wie ein verirrtes Hündchen.
Rachel spürte das Verlangen. Den Wunsch, von ihm in die Arme geschlossen zu werden. Sie versuchte zu widerstehen. Siesah ihm in die Augen und stellte sich vor, sie könnte ihn in einen Kohlkopf verwandeln. Sie verabscheute Kohl.
Kühl musterte sie ihn von oben bis unten. Sie fühlte sich so sehr zu ihm hingezogen, dass er ruhig der größte Mistkerl auf der ganzen Welt sein konnte, sie brachte es trotzdem nicht übers Herz, ihn stehenzulassen. Zögernd schob sie einen Fuß vor, und sein Gesicht wurde weich.
Ehe sie wusste, wie ihr geschah, umschlang er sie, ihre weichen Lippen berührten seinen Hals, und sie sog seinen Duft ein. Sie sah die Haare auf seiner Brust, die aus dem Cardiganausschnitt
Weitere Kostenlose Bücher