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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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einzelnen Sessel sinken und bot den Polizisten das Sofa an. Der Stoff fühlte sich an ihren Beinen kratzig an, und Bryony empfand augenblicklich den Drang, Max anzurufen und ihm zu sagen, dass sie die Polizei im Haus hatten. Sie wünschte, er wäre schon zu Hause. Er könnte sicher besser mit der Situation umgehen, dachte sie. Cool, gelassen und konzentriert.
    Als beide Parteien einander gegenübersaßen, hüllte eine übelkeiterregende Stille sie ein. Der männliche Beamte räusperte sich und ergriff das Wort. Bryony bemerkte, dass seine Hände zitterten.
    »Bryony, es tut mir entsetzlich leid, Ihnen das sagen zu müssen   …«
    Das Zimmer begann vor ihren Augen zu zittern. Bryony begriff, dass die Angelegenheit sehr ernst war und sie direkt betraf. Mit gespenstischer Klarheit war ihr plötzlich bewusst, dass auf ihrem Handy keine verpassten Anrufe angezeigt worden waren, als sie nach der Uhrzeit sah, und das bedeutete, dass Max nicht versucht hatte, sie zu erreichen. Also hatte es vielleicht mit   …
    »Max Tooley starb heute Abend vor der U-Bahn-Station Finsbury Park. Er wurde erschossen.«
    Und das war es.
    Die Worte flossen aus dem Mund des Polizisten wie Wasser, schlüpften und glitten in ihre Welt und verdünnten augenblicklich alles, was Bryony je als schön und fröhlich gekannt hatte. Eine scharfe Übelkeit schoss ihr aus der Magengrube in die Kehle. Sie blinzelte mehrmals und kämpfte mit der überwältigenden Bedeutung seiner Worte.
    »Bryony, es tut mir sehr leid«, sagte die Polizistin. »Können wir irgendetwas für Sie tun?« Sie beugte sich leicht vor, und Bryony hörte überdeutlich die Geräusche ihrer Montur   – ein leichtes Reißen von Klettband und ein Quietschen von Plastik an Plastik.
    Nichts wollte aus ihrem Mund kommen. Bryony nickte erbärmlich, konnte durch den Tränenschleier nichts sehen. Der Polizist sagte etwas, das sehr gedämpft klang, wie aus großer Entfernung, als versuchte er, sie vom Grund des Meeres aus anzusprechen. Sie fühlte sich, als wären ihr die Beine weggerissen worden, und obwohl sie weglaufen wollte, wusste sie, dass der Versuch sinnlos wäre, weil sie es nicht konnte.
    Das muss ein Albtraum sein, dachte sie. Vielleicht schlafe ich noch   … Bryony starrte die Polizeibeamten mit offenem Mund an. Ihr Atem hatte sich beschleunigt, ging schneller und schneller, bis sie begriff, dass sie nichts sagte, sondern nur dasaß und sie anglotzte und hyperventilierte.
    Die Beamtin kam zu ihr und kniete sich neben sie. Sie hatte ebenfalls Tränen in den Augen. Na, so was, dachte Bryony betäubt. Das ist bestimmt eine Anfängerin.
    »Als unsere Kollegen am Tatort eintrafen, war er bereits tot, aber eine Frau war bei ihm. Sie hatte ihn gefunden, kurz nachdem er angeschossen worden war, und wir vernehmen sie zurzeit zu dem Vorfall. In einer Gasse in der Nähe konnten wir auch einen Mann aufgreifen, den wir für den Täter halten. Er ist zum Verhör auf die Wache gebracht worden.«
    Bryony atmete mittlerweile so schnell, dass der Atem rasselte. Für diese Reaktion hätte sie sich normalerweise geschämt, doch im Moment war ihr vollkommen egal, ob diese Polizeibeamten, diese merkwürdigen Leute, denen sie nie begegnet war, zusahen, wie sie zusammenfiel. Ob sie beobachteten, wie sie zu einem einzigen Atom zusammenschmolz. In eine Billiarde kleiner Stückchen zersprang.
    Doch dann kamen ihr die Zweifel. Es konnte nicht stimmen. Sie begann den Prozess des Abstreitens, bereits knietief in den ersten fünf Stadien der Trauer: »Aber er arbeitet heute Nacht. Er wollte erst heute Morgen nach Hause kommen, das hat er mir gesagt. Er wollte in einem Hotel übernachten. Sie machen einen Fehler. Das ist völlig unmöglich! Ich glaube, Sie haben den Falschen«, flehte sie verzweifelt und beugte sich so weit aus dem Sessel vor, dass ihr der Rücken wehtat; sie bebte jetzt am ganzen Leib.
    Dann begann sie zu betteln. Sie bettelte, dass eine höhere Macht ihr ermöglichte, es ihnen auszureden. Ihnen diese absurde Verbindung auszureden, die sie fälschlicherweise hergestellt hatten.
    Die Polizeibeamtin erhob sich und ging in die Küche hinter ihr. Bryony hörte Wasser laufen.
    »Das haben wir in seiner Tasche gefunden. Auf diese Weise haben wir Sie gefunden«, sagte der männliche Beamte und zog, wie aus dem Nichts, Max’ Presseausweis und seinen Führerschein hervor. Er schob sie auf dem Couchtisch zu ihr, und dort, gleich vor ihr, lag das Gesicht ihres Mannes. Max. Ein gekünsteltes

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