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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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Ordnung war   … wirklich alles okay.
    Am nächsten Morgen um sieben wachte Bryony wieder auf. Der lange Ärmel eines blauen Hemdes hatte sich lose um ihren Halsgeschlungen, und sie hielt einen perlmuttartigen Knopf zwischen den Zähnen. Sie hatte so starke Kopfschmerzen, dass es sich anfühlte, als hätte ihr jemand mit einer Holzplanke gegen den Hinterkopf geschlagen.
    Im Bauch hatte sie ein Gefühl des Entsetzens, aber sie konnte es sich nicht erklären. Und sie verstand nicht, weshalb sie mitten in lauter Kleidungsstücken lag, die Max gehörten.
    Zuerst glaubte sie, sie hätte einen Kater, dass Max und sie sich vielleicht betrunken und etwas Verrücktes gemacht hätten   – einmal, als er blau war, hatte er zum Spaß seine Turnschuhe ins Gefrierfach gestellt. Sie hatten es völlig vergessen, bis Bryony am nächsten Tag ein Hühnchen herausholen wollte, um es fürs Abendessen aufzutauen. Sie fragte sich, ob es wieder eine »dieser« Nächte gewesen war. Eine dieser wilden Nächte unbekümmerter Hemmungslosigkeit. Aber er lag nicht neben ihr.
    Dann erinnerte sie sich. Und plötzlich machte sie alles noch einmal durch.
    »Mum. Mum! Muuuuuuuum!«, rief Bryony völlig verzweifelt und raffte die Hemden auf ihren Schoß. Neue Tränen rollten ihr die Wangen hinunter. Sie hörte Schritte aus der Küche, die sich ihrem Zimmer näherten, und dann stand ihre Mutter in der Tür und blickte sie still an wie in einem Gruselfilm.
    In den Augen ihrer Mutter glänzten die Tränen. Sie standen kurz davor, sich auf den Boden zu ergießen wie das Wasser aus einer überlaufenden Badewanne. Ihre Mum schlug die Hände vors Gesicht und lehnte sich mit der Schulter an den Türrahmen. Ihr drahtiges blondes Haar hatte sie zu einem unordentlichen Knoten hochgesteckt und sah älter aus, als Bryony es je erlebt hatte. Bryony schüttelte den Kopf, immer schneller, zog die Hemden noch näher, als suchte sie unter ihnen nach Max.
    »Bry, ich bin   … ich bin so   …«, begann ihre Mutter, beendeteden Satz aber nicht, sondern eilte zu ihrer Tochter und schloss sie in die Arme, als wäre sie wieder ein kleines Mädchen.
    »Er ist wirklich tot, oder, Mum?«, fragte Bryony. Ihr liefen noch mehr Tränen aus den Augen. Ihr Gesicht fühlte sich an, als bestehe es aus Gummi.
    »Ja, Baby. Er ist tot«, sagte ihre Mutter und hielt sich an Bryony fest. Ihre Tränen durchnässten das graue T-Shirt ihrer Tochter.
    »Aber was ist das denn für eine Scheiße? Wie ist es passiert? Wieso? Wer sollte ihn denn erschießen? Warum sollte irgendjemand Max erschießen?«, wisperte Bryony und empfand mit einem Mal ein unerträgliches Schuldgefühl. Sie war nicht bei ihm gewesen, als es geschah. Sie war nicht bei ihm gewesen und hatte ihn in seinen letzten Augenblicken nicht gehalten, hatte ihm nicht mehr sagen können, dass er das wunderbarste Geschenk ihres ganzen Lebens war. Bryony fand, dass sie ihn in seinen letzten Momenten hätte trösten können, wenn sie dort gewesen wäre, in diesen kostbaren Sekunden, in denen er in den tintenschwarzen Abgrund sank. Sie hätte ihre Lippen auf seinen Mund drücken und spüren können, wie seine letzten Atemzüge warm und feucht versiegten.
    Und dann, wenn er starb, hätte er gewusst, dass sie ihn liebte, dass sie ihn mehr liebte, als irgendeine Frau je einen Mann geliebt hatte. Bryony hätte ihm sagen können, dass sie nicht gekränkt war, weil er es mit dem Heiraten nicht eilig hatte; dass es ihr egal war. Und dass sie ihm wirklich voll und ganz verziehen hätte, dass er ihr bei ihrem ersten echten Rendezvous einen Vorderzahn mit einem Cricketball ausgeschlagen hatte. Und dass ihre alte Tante ihn gar nicht verabscheute, sondern einfach ein gemeines Miststück war   … Und dass er vielleicht im Todesschmerz dieser wahnsinnigen, dunklen Welt seiner letzten Sekunden wüsste, dass er ihr alles bedeutete.

9
    Diesmal sollte sich niemand nach ihr umdrehen.

    Freitag, 13. März 2009
    Finsbury Park, Nord-London
    10 Uhr
    Sara stellte sicher, dass sie unauffällig aussah. Sie trug Kleidung in Grau, Schwarz, Anthrazit   … und eine Sonnenbrille, die sie schon seit Jahren nicht mehr aufgesetzt hatte.
    Für ihr heutiges Vorhaben musste sie mit dem Hintergrund verschmelzen. Sie musste jemand sein, der nur von engen Freunden erkannt wurde, wenn sie über den Rand einer Zeitung spähte, und selbst das nur, wenn sie sehr genau hinsahen   … Diesmal sollte sich niemand nach ihr umdrehen. Dies war der falsche Moment für knallrote

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