Ein Tag im Maerz
Stöckelschuhe, die über den U-Bahnsteig klackten und Männer veranlassten, die Köpfe zu drehen wie die Schleiereulen, nur damit sie sie besser sehen konnten. Der falsche Moment für tiefe Ausschnitte und das Aufblitzen ihrer wohlgeformten Beine, die sie dem jahrelangen Hin- und Herlaufen über den Fußboden eines Restaurants verdankte.
Sie stand vor dem Schlafzimmerspiegel und betrachtete sich in der Garderobe, die sie für heute ausgesucht hatte. Sara war klar, dass ihr ungewöhnlich kurzer Haarschnitt sie vielleicht verriet, aber ein Kopftuch oder ein Hut wären womöglich noch auffälliger gewesen und hätten sie vielleicht verraten. Sie trug eine schwarze Stoffhose, eine grau-weiße Bluse und eine schwarze Strickjacke,die ihr locker von den Schultern hing, um ihre zarten Kurven zu verbergen. Die Kurven, die Tom überhaupt erst veranlasst hatten, in einer überfüllten Bar näher an sie heranzurücken, den Arm um ihre Taille zu legen und ihr ins Ohr zu flüstern.
Der Augenblick, in dem sie sich in ihn verliebt hatte …
Die Sonnenbrille lag in einem Etui in ihrer Handtasche zwischen einem Filofax aus pinkfarbenem Leder und einem Scheckheft. Sara brauchte nur einen Blick aus dem Fenster zu werfen und wusste, dass es ein schöner Tag werden würde – für März war es bisher überraschend feucht gewesen.
Tom glaubte, dass sie heute im Restaurant arbeitete, aber sie hatte schon wieder die Schicht getauscht, nachdem sie den Mut zusammengenommen hatte, um ihr Vorhaben wirklich durchzuführen: ihren eigenen Ehemann zu beschatten und zu versuchen, ihn auf frischer Tat zu ertappen. Ihn zu erwischen, wie er sich in irgendeiner dunklen Nische in London einen verbotenen Kuss stahl und mit den Händen über einen fremden, neuen Körper strich. Einen Körper, der nicht Sara gehörte.
Gestern Abend nach ihrer Rückkehr in ihre Wohnung hatte sie nur mit Mühe ihr Wissen für sich behalten. Bemerkenswert gelassen hatte sie sich überlegt, wie sie am besten damit umging, und still überlegt, ob sie sich etwas vormachte. Nur sah es Tom überhaupt nicht ähnlich, hinter ihrem Rücken Internet-Bekanntschaften zu knüpfen. Was für ein Schock! Es fehlte auch jeder Hinweis, dass er Verabredungen mit anderen Frauen haben könnte. Das passte nicht zu Tom und allem, was sie über ihn wusste, und genau aus diesem Grund erschien es so befremdlich. Sara fragte sich, ob sie vielleicht auch ein Profil erstellen sollte, mit einem falschen Foto, um ein Treffen zu vereinbaren, bei dem sie ihn in flagranti stellte.
Im Bett hatte sie sich auf die Zunge gebissen, während Tom leise neben ihr schnarchte, und dabei hätte sie am liebsten geschrien und gebrüllt und mit den Kissen auf ihn eingeprügelt, bis sie an den Nähten platzten und die Federn herauswirbelten.
Mit Tanya war Sara sich einig, dass sie das, was sie über Tom wussten, vorerst für sich behalten und versuchen sollten, mehr herauszufinden, anstatt übereilte Anschuldigungen zu machen. Sie hoffte, dass sie es vielleicht falsch verstanden hatte, dass sein Internet-Dating-Profil womöglich gar nicht das zu bedeuten hatte, was sich aufdrängte. Die ganze Nacht hindurch hatte sie das Bild nicht aus dem Kopf bekommen: sein Gesicht, das sie vom Laptopschirm anstrahlte.
Die Verleugnung hatte beinahe sofort eingesetzt, so wie man ein Paracetamol nimmt, wenn man Kopfschmerzen bekommt, eine leichte Betäubung, die ihr kurzfristig half. Ein Pflaster auf einem Schnitt, der nicht zu bluten aufhören wollte. Doch tief in ihrem Innern wusste Sara, dass sie ihn dabei erwischen musste, denn sonst würde sie den Rest ihrer Ehe damit verbringen, auf den Nägeln zu kauen und gegen ein ungutes Gefühl im Magen anzukämpfen.
Fast wünschte sie, sie hätte die Site niemals gesehen. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Also, los geht’s, dachte sie mit einem Blick auf die hellen grünen Leuchtziffern der Küchenuhr und nahm ihre Handtasche. Es war zehn Uhr morgens. Tom war vor einer Stunde aufgebrochen, nachdem er sich aus ihrem warmen Bett gequält hatte. Er musste zur Mulai Gallery, weil seine Ausstellung zu Ende war. Er hatte seine Arbeiten zusammenzupacken und in einen Kleinlaster zu laden. Sara wusste, dass sie vielleicht etwas beobachten konnte, wenn sie eine Weile durch die Stadt schlich und rechtzeitig am richtigen Ort war: einen schwingenden Pony oder flatternde Augenlider, die ihr verrieten, dass er sich mit einer anderen traf.Natürlich war ihr klar, dass die Chancen
Weitere Kostenlose Bücher