Ein Tag im Maerz
Lächeln. Wunderhübsche Grübchen. Diese Augen.
»Oh, Scheiße«, sagte Bryony, zog die Beine hoch und sank tief in den Sessel. Sie stürzte den Kopf auf die Knie und begann zu weinen. Doch was kam, waren keine langsamen, melancholischen Tränen; sie waren Tränen der Wut.
Sie hörte das leise Klacken, mit dem ein Glas Wasser vor ihr abgestellt wurde, und gleichzeitig zuckten ihr Bilder vor den Augen vorüber: Max vor nur ein paar Tagen, wie er mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Bad kam. Lebendig. Wassertröpfchen liefen ihm die warme Haut herunter, und darunter floss sein Blut. Sein Herz schlug.
Und dann setzte die Hysterie ein. Sie konnte sich noch Wochen später erinnern, dass einer der Beamten – aber nicht, welcher – sie stillhielt und ihr die Arme an den Körper presste, damit sie nicht um sich schlagen konnte. Bryony erinnerte sich an nicht mehr viel von dem, was danach kam, außer, dass sie geschrien hatte. Lange. Und die Schreie hatten geklungen, als kämen sie von irgendwo anders her, aus der Kehle einer anderen Frau mit gebrochenem Herzen. Sie waren so laut, dass sie in ihrer wunden Kehle brannten wie trockenes Schilf.
In ihrem nächsten wachen Moment waren die Polizisten gegangen, und ihre Mutter kümmerte sich um Bryony. Sie kniete neben ihr auf dem Küchenboden und umarmte sie, während sie so heftig weinte, dass es wehtat. Bryony spürte jede Rippe und jeden Muskel in ihrem Bauch und ihrer Brust, wie sie sich spannten und wieder lockerten. Nach einer Weile fühlten die Tränen sich an wie Rasiermesserklingen.
Ihre Mutter hielt sie fest in den Armen, sagte aber kein Wort, und Bryony stellte sich vor, die Arme gehörten Max, und sie wären irgendwo anders als auf den kalten Fliesen des Küchenbodens, die ganz leicht nach Desinfektionsmittel rochen. Sie war ein wimmerndes Bündel, dem der Rotz über die Oberlippe lief und das sich mit den Fäusten wütend die Wimpern rieb, als wären sie ein Fehler in einer Zeichnung. Eine widerliche Übelkeit stieg wieder in ihr hoch, als hätte sie Fieber.
Bryony versank so sehr in der Trauer, dass sie am Ende völlig vergaß, dass es sie gab.
Dann lag sie wieder im Bett, hielt sieben von Max’ Hemden in den Armen, zog sie sich übers Gesicht. Rote Baumwolle, blaue Streifen, weiße gestärkte Kragen und weiche Säume. Sie hatte sie aus dem Wäschekorb gefischt, hatte die schmutzigen Socken und Unterhosen durchwühlt, bis sie etwas fand, das einen Hauch seines Lebens aufgenommen hatte – den Geruch eines lebendigen Menschen, seines Aftershaves, den einzigartigen Duft seiner Haut, den sie nie bei jemand anderem gerochen hatte. Die Sorte Geruch, die langsam verschwand. Ein Geruch, von dem sie wusste, dass sie ihn nicht in eine Flasche abfüllen und ewig besitzen konnte.
Bryony hatte Angst, zu oft an dem Stoff zu riechen; am Ende zog sie den Geruch ganz fort. Wenn sie zu gierig war, verbrauchte sie ihn vielleicht ganz oder wurde immun dagegen; deshalb wechselte sie die Hemden reihum aus. Ihr war, als wäre sie betrunkener als je in ihrem Leben, nur dass sie keinen Tropfen angerührt hatte. Sie wusste nur, dass jemand ihr Max geraubt hatte, das Licht ihres Lebens, ihre einzige wahre Liebe.
Eine geradezu greifbare Verzweiflung beherrschte sie, das Verlangen, die Zeit zurückzudrehen und etwas zu ändern. Wieso war er früher zurückgekommen? Sie konnte es sich nicht erklären.
Die Kissen waren nass von ihren Tränen, ihre Haut klebte am feuchten Stoff. Dennoch fiel Bryony zu irgendeiner verrückten Stunde in unruhigen Schlaf. Sie lag in einem Meer aus Max’ Kleidungsstücken und stellte sich vor, er wäre bei ihr, drückte seine Lippen auf ihren Nacken und trat sie versehentlich sanft, während er träumte. Solange sie schlief, kreiste die eigene Stimme im Kopf und sagte, es sei alles nur ein böser Traum. Vielleicht war sie krank geworden, krank im Kopf, und wenn sie wieder aufwachte, läge sie im Krankenhaus, große Männer in weißen Kitteln gäben ihr Tabletten in einem Pappbecher, und sie würde begreifen, dass sie einen Nervenzusammenbruch gehabt hatte. Nur eine vorübergehende Episode. Ihr Verstand hatte Urlaub genommen – so würden sie es ihr beschreiben, damit sie sich nicht zu schämen brauchte. Und jeder würde sie mit diesem halb mitleidigen, halb ängstlichen Grinsen anlächeln, das man in den Fernsehserien jedes Mal sah, wenn jemand den Verstand verlor.
Und Max würde sie besuchen, und ihr würde klar werden, dass alles in
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